Nachhaltigkeit bedeutet mehr als seinen CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Seit einem Jahr sind die ESG Regeln auch für Kosmetikunternehmen verbindlich, wie für alle Aktiengesellschaften oder Firmen, die Geld am Kapitalmarkt aufnehmen wollen. In der Kosmetik wird dabei schon lange mit verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit geworben. Und es ist ein wahrer Dschungel an „Verbesserungen“ entstanden. Wir Verbraucherinnen haben es daher schwer zu beurteilen, welche der Produkte denn nun wie nachhaltig sind und eine Vergleichbarkeit gibt es noch nicht.
Eco Beauty Score
Deswegen ist es interessant, was Birgit Huber, IKW, Ende Februar auf linkedIn veröffentlichte: „Das Thema Nachhaltigkeit rückt bei der Kaufentscheidung von Verbrauchern zunehmend in den Vordergrund. Aber wie können die Käuferinnen und Käufer feststellen, welche Auswirkungen ein Produkt auf die Umwelt hat? Zumindest im Bereich Kosmetik wird es bald möglich sein, Produkte anhand klarer, transparenter und wissenschaftsbasierter Informationen zu vergleichen: 36 internationale Unternehmen und Verbände aus dem Bereich der Schönheits- und Körperpflege haben im Eco Beauty Score Consortium ihre Kräfte gebündelt und entwickeln gemeinsam ein Bewertungssystem, um den Umweltfußabdruck eines kosmetischen Produkts vergleichbar darzustellen.“
Wieviele weitere Zertifikate braucht es noch?
Was für Zertifikate brauchen wir noch? Haben wir denn nicht schon genug? Verschiedene Labels für Naturkosmetik, Bio- zertifizierte Rohstoffe, vegane Formeln oder solche, die nach ISO 16128 xy% natürlich sind. Welche, die C2C-Aspekten genügen und andere, die mit weniger Wasser auskommen, recycliertes Plastik in der Verpackung verwenden oder ganz darauf verzichten? Tierversuchsfrei, bio-abbaubar, sozial gerecht, die Weltretter-Formel schlechthin?
Bisher wird gerne jeder einzelne Aspekt der Verbesserung herausgenommen und extra aufgeführt. Da kann es schon mal zu einer sogenannten Siegellitis kommen, bei der die Siegel eine enorme Ähnlichkeit zu dem FridaysForFuture Logo haben.
Die Frage ist tatsächlich, welche Verbesserung denn ein Eco Beauty Score bringen kann?
Klimaschutz im Konjunktiv
Offenbar aufgrund der geänderten EU Taxonomie, die Regeln vorschreibt, wie nachhaltig sich Unternehmen aufstellen müssen, um am Kapitalmarkt Geld zu bekommen, wird jetzt mit allen möglichen Einsparungen geworben. Rewe rechnet den VerbraucherInnen vor, dass 29 Tonnen Plastik eingespart werden können, würde man dasselbe Produkt im Mehrweg-Schraubdeckelglas kaufen. Ariel behauptet, dass wenn alle in Europa kälter waschen würden, die Emissionen von 2 Millionen PKWs eingespart werden könnten
Während also Lebensmittelkonzerne und Waschmittelhersteller noch den Konjunktiv benutzen, meint es eine Firma offenbar Ernst: L’Oréal.
Nachhaltigkeit seit 2013
L’Oréal ist eines der erfolgreichsten Kosmetikunternehmen weltweit. Sie decken die Bereiche von Haar bis Hautpflege, Sonnenschutz und Make-up ab; sind in verschiedenen Vertriebskanälen präsent, von Profi-Marken über Fast Moving Consumer Goods (FMCG) bis hin zu Apotheken. Weiterhin sind sie im Prestige-, Medizin-, Massenmarkt und auch in selektiven Märkten für kleine Schönheitsstudios tätig.
Sie behaupten, seit 2013 auf dem Weg der Nachhaltigkeit zu sein. Dafür stellten sie 2012 Alexandra Palt als Chief Sustainability Officer ein, sie ist jetzt Chief Corporate Responsibility Officer und CEO der „Fondation L’Oréal“. Wenn man bedenkt, dass Alexandra Palt als Österreicherin zuvor für NGOs tätig war, macht es diese Karriere umso bemerkenswerter. Und es macht auch deutlich, dass L’Oréal sein soziales Engagement ernst nimmt.
Nachhaltigkeit ist mehr als CO2-Vermeidung
Dass es nun ausgerechnet wieder die Kosmetik ist, die vorangeht, ist nicht verwunderlich. Denn sie gilt gemeinhin als überflüssiger Luxus und muss sich permanent beweisen. Sie bekommt auch nicht, wie andere Industriezweige, staatliche Unterstützung, wenn es mal eng wird…
Da die Nachhaltigkeitsziele mehr sind als CO2-Vermeidung oder -Reduktion, macht es Sinn, sie sich noch einmal genauer anzusehen. Gerne hätte ich an dieser Stelle eine Infografik von Cosmetics Europe (DIE Lobbyorganisation der europäischen Kosmetikhersteller) gezeigt, doch die haben mir eine Anfrage diesbezüglich im Februar negativ beschieden. Deswegen gibt es hier nur Text:
- Emissionsreduktion durch veränderte Produktion, Transport, Verwendung erneuerbarer Energien o.ä.
- Wassereinsparungen
- Müllvermeidung
- Umweltverträgliche Formeln
- Soziales Engagement vor Ort und in den Ländern, in denen Rohstoffe angebaut oder verarbeitet werden
- Transparenz
- Überprüfen der Einhaltung der Regeln
Ein Eco Beauty Score müsste also alle diese Dinge abbilden und bewerten. Und ein unabhängiges Zertifizierungsinstitut dieses bestätigen.
Es kann natürlich sein, dass ich mich hier habe täuschen lassen, und L’Oréal den Konjunktiv viel geschickter verpackt als Rewe oder Ariel. Umso begrüßenswerter ist also eine allgemein verbindliche Regelung. Diese wird wahrscheinlich so aussehen, wie L’Oréal sie schon auf ihren Produkt-Webseiten vorstellt. Schließlich war es auch so bei der ISO Norm zum Natürlichkeitsindex.
Eco Beauty Score – ein Selbstzweck?
Machen wir uns nichts vor. Die großen Firmen reagieren nicht nur langsam, sondern häufig genug auch nicht umfassend. Schneller, agiler und erfolgreicher sind Start-ups oder Familienunternehmen, die seit vielen Jahren ihre Kundschaft in die Entwicklung der Produkte und die ökologischen Bedenken in ihre Produktion mit einbeziehen. Ein weiteres (kostenpflichtiges?) Siegel treibt diese Bereiche weiter auseinander und soll vielleicht nur die industriellen Player im Wettbewerb fitter machen. Hätten wir dann wirklich etwas gewonnen?
Auf der einen Seite bewundere ich wie konsequent L’Oréal die ökologische Transformation voran treibt, finde aber auf der anderen Seite auch die Start-ups und Nichenanbieter als absolut wichtig. Denn die beiden letzteren zeigen, dass Öko-Kosmetik möglich ist, ohne große Siegel, sondern durch Vertrauen der Verwenderinnen in die Produkte und Hersteller.
Siegel hin oder her: Wir helfen mit unserer Kaufentscheidung Firmen und Produkte nachhaltiger zu machen. Aber wir sollten auch nicht alles glauben, was uns in der Kosmetik erzählt wird. Im Zweifelsfall hilft übrigens nachfragen.
Bildnachweise
Titelbild zusammengestellt aus wikimedia commons: Erde Darstellung https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Earth_icon_2.png
Hand mit Blatt https://www.pngegg.com/de/png-emtvq
Produktionsstätte: https://samebutgreen.com/blogs/news/wie-nachhaltig-ist-eigentlich-edelstahl
Erneuerbare Energien: https://www.pngegg.com/de/png-emtvq
Wiederverwendung der Rohstoffe: https://www.pngegg.com/de/png-zlvir