Hyaluronsäure ist ein natürliches Polysaccharid. Es wird in den Körpern aller Wirbeltiere gebildet und sorgt im Bindegewebe für Elastizität und wirkt in den Gelenken als Schmiermittel. Sie gehört zur sogenannten Extrazellulären Matrix. Eigentlich nicht der Rede wert, oder? Hyaluronsäure aber ist in den vergangenen Jahren zu einer der größten Marketingstories ever geworden. In der Kosmetik verbinden wir mit dem Molekül Hautbefeuchtung und Faltenglättung – ein Produkt ohne? Verkauft sich nicht.
Hyaluronsäure – von Ekel zu edel
Früher, das heißt vor etwa 30 Jahren war Hyaluronsäure wahnsinnig teuer und wurde deswegen nur in besonderen Fällen eingesetzt. Sie wurde aus Hahnenkämmen gewonnen und kam damit aus der gleichen Quelle der Schlachtabfälle wie auch Collagen oder Tenside, die als Weichspüler für Wäsche verwendet wurden. Damals war das öffentliche Bewusstsein nicht so auf Tierwohl ausgerichtet wie heute.
Der Durchbruch begann, als Hyaluronsäure biotechnologisch verfügbar wurde. Dabei wird das Bakterium Streptokokkus, mit dem als erstes die bakterielle Fermentation gelang, mittlerweile von anderen Bakterien abgelöst. Bei der Fermentation kommt es zusätzlich darauf an, große Mengen Hyaluronsäure in reproduzierbarer Qualität und zielgerichteter Kettenlänge zu erhalten.
Damit war Hyaluronsäure aber noch lange nicht in der Kosmetik angekommen, sondern erst mal in der Medizin. Und da auch nicht in der Schönheitsmedizin, sondern konkret in der Orthopädie zur Behandlung von Gelenksarthrosen.
Von der Gelenkbehandlung zum full-face-treatment
Und immer, wenn sich eine Substanz in der Medizin bewährt hat, finden sich weitere Anwendungen. Bei der Hyaluronsäure ist es die Faltenunterspritzung, dafür wird sie gerne als „dermal filler“ verkauft, gegen das alt Aussehen der Haut.
Neben der Hyaluronsäure finden sich unter den dermalen Füllstoffen Calcium Hydroxylapatit, Poly-L-Milchsäure und Polymethylmethacrylate. Keiner dieser Füllstoffe hält ewig, am längsten vielleicht noch der Kunststoff Poylmethylmethacrylate. Aber am ähnlichsten zu unserem Körper ist eben Hyaluronsäure, weswegen sie auch den Markt dominiert.
Die Applikation dieser Füllstoffe erfolgt mittels Spritze und auch, wenn die ästhetischen Dermatologen gerne von „minimal invasiv“ sprechen, es geht unter die Haut und ist deswegen kein Kosmetikum, sondern eine medizinische Behandlung.
Dennoch, viele schwören auf den verjüngenden Effekt dieser Behandlungen und geben gerne und häufig viel Geld dafür aus.
„Der weltweite Markt für dermale Füllstoffe wird für das Jahr 2022 auf 5,5 Mrd. USD geschätzt und soll bis 2030 auf 9,3 Mrd. USD anwachsen. Die steigende Nachfrage nach minimalinvasiven Verfahren ist ein wichtiger treibender Faktor.“
Dabei geht es in diesem Markt schon lange nicht mehr nur um Anti-aging und Faltenunterspritzung, sondern auch um das gezielte Verändern des Aussehens junger Menschen.
Von der Spritze in die Creme
Durch die gute Verfügbarkeit von Hyaluronsäure in medizinischer Qualität ist dieser Rohstoff auch für die Kosmetik interessant. Durch die Erfolge in der Medizin gilt Hyaluronsäure als wertgebender Inhaltsstoff und „adelt“ die Produkte, in denen er eingesetzt wird. Doch, was macht Hyaluronsäure auf der Haut? Kann es, wie uns in vielen Werbestories angepriesen wird, in die Haut eindringen und dort gegen Falten wirken wie durch eine Spritze?
Schauen wir uns dafür zunächst den Rohstoff Hyaluronsäure an.
Wow! Hyaluronsäure ist also ein Riesenmolekül! Das ist auch gut, denn in unseren Körpern erfüllt es ja die wichtige Funktion als Schmierstoff in Gelenken und in der Dermis als Extrazelluläre Matrix, wo es die Elastizität beeinflußt.
Die wichtigste Eigenschaft von Hyaluronsäure ist dabei sein enormes Wasserbindevermögen. Dabei kann die Substanz bis zu 6 Liter Wasser pro Gramm binden. Wikipedia veranschaulicht das mit dem Glaskörper des menschlichen Auges, der zu 98% aus Wasser besteht, das von 2% Hyaluronsäure zusammen gehalten wird.
Die Penetration von Wirkstoffen in die Haut
Ja, das hätten wir gerne, dass die Wirksoffe in unseren Kosmetikprodukten durch die Haut durchrauschen und dann wunderbar gegen Falten, Pigmentflecken und sonstige Zeichen der Hautalterung wirksam sind. Glücklicherweise geht das nicht oder jedenfalls nicht einfach so, denn die Haut ist eine sehr effektive Barriere gegen alle möglichen Substanzen und äußeren Einflüsse.
In der Medizin beschäftigt man sich intensiv mit der dermalen Applikation von Wirkstoffen Sie ist abhängig von:
- Der Konzentration des Wirkstoffes
- Der molaren Masse des Wirkstoffes
- Der Dauer der Applikation
- Der Löslichkeit der Substanz
- Dem verwendeten Vehikel
- Dem Zustand der Haut
- Der Körperregion der Anwendung und dem Behaarungsgrad
Im wesentlichen wird die dermale Absorpion und Penetration von Stoffen aber gebraucht, um Giftstoffe zu bewerten. Bei Pestiziden zB. Regeln der ESFA und USA.
Die Hyaluronsäure der Dermis hat jedoch ein Molekulargewicht von mehr als 500 kDalton, wirkt antientzündlich, fördert die Expression von Kollagen III und Wachstumsfaktoren (https://www.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/wound.2014.0561 In der Dermis wird Hyaluronsäure von den Fibroblasten gebildet, also sozusagen vor Ort hergestellt.
Kommerziell erhältlich sind derzeit drei verschiedenen „Schnitte“ in der Molmassenverteilung
- Hochmolekulare HA von 300-700 kDa bis hin zu 2 Millionen Da
- Mittelmolekulare HA im Bereich von 80-150 kDa
- Niedermolekulare HA hat eine mittlere molare Masse von etwa 20-50 kDa
Hans Schäfer, einer der Päpste der dermalen Penetration, formuliert eine Daumenregel, die besagt, dass Biomoleküle ab einer Masse von 50 kDa definitiv nicht die Barriere des Stratum Corneums penetrieren. Wenn man sich nun vor Augen führt, welche Moleküle überhaupt mit der Hornschicht der Haut interagieren, so sind das:
- Wasser – 18 Da
- Propylene Glycol – 76 Da
- DMSO – 78 Da
- Glycerin – 92 Da
- Nicotin – 162 Da
- Ölsäure – 282 Da
- Natrium Lauryl Sulfate – 288 Da
Diese Beispiele zeigen, dass Substanzen, die in die Haut penetrieren, ein Zehntausendfachstel kleiner sind als niedermolekulare Hyaluronsäure. Selbst das Dimer mit 379 Da wird kaum in die Haut penetrieren. Und an ihren eigentlichen Wirkort zur Faltenglättung, nämlich in die Dermis, gelangt das Molekül nicht.
Daran ändern auch die vielen Studien zum Nachweis mittels Ramanspektroskopie als Komplex oder mit neuen Nachweismethoden (L’Oréal) nichts.
Aber, was macht Hyaluronsäure AUF der Haut?
Sie geht nicht rein und falls doch, dann definitiv nicht bis in die Dermis. Sind also alle Marketingversprechen zur Faltenreduktion Blödsinn? Natürlich nicht ganz, denn kosmetische Formulierungen werden immer als Ganzes auf ihre Wirksamkeit untersucht. Eine Untersuchung mit und ohne Wirkstoff wird in den wenigsten Fällen unternommen. Aber die Firmen werben ja auch nicht damit, dass Hyaluronsäure die Wirkung erzeugt. Meist steht auf der Packung nur „mit“. Dass es die Hyaluronsäure ist, suggerieren Bilder und Aussagen der begeisterten VerwenderInnen. Und ein üblicher Trick ist es auch, eine wissenschaftliche Tatsache, nämlich die Abnahme von Hyaluronsäure in der Dermis mit dem Alter, zu verknüpfen mit dem Wirkstoff, der von Aussen aufgetragen wird. Dabei entsteht die Assoziation, dass dieser Wirkstoff hilft. Leider hilft auch Hyaluronsäure als dermaler Füllstoff nicht gegen den Verlust, denn es sind die Fibroblasten, die ihre Syntheseleistung mit dem Alter reduzieren.
Dagegen wird diskutiert, dass Hyaluronsäure das Mikrobiom der Haut günstig beeinflußt. Als Polysaccharid aber bildet Hyaluronsäure einen leichten Film auf der Haut, ganz ähnlich wie Aloe Vera. Aus diesem Film können andere Wirkstoffe frei gesetzt werden. Natürlich unterstützt Hyaluronsäure die klassische Wirkung von Kosmetik, die Hautbefeuchtung.
Fazit:
Hyaluronsäure als Biopolymer ist sicherlich eine sinnvolle Substanz für den Einsatz in der Medizin. Nicht nur in der Behandlung von Arthrose, sondern auch in den modernen Feldern des sogenannten „tissue engineering“. In kosmetischen Formulierungen dient es mehr als wertiges Marketingtool.