Eines der wichtigsten kosmetischen Produkte ist sicherlich der Lippenstift. Rot am besten. Dieses Produkt ist wie kein anderes synonym mit Weiblichkeit, Verführung und Luxus verbunden. Gleichzeitig haben Lippenstifte Frauenproteste begleitet und in den Weltkriegen die Moral der Frauen gehoben, als ihre Männer an der Front kämpften. Und selbst, wenn nichts mehr geht, für einen Lippenstift als Beauty Accessoire ist noch Geld da.
Bei einem solch wichtigen Produkt ist es natürlich klar, dass es kritisch unter die Lupe genommen wird.
Lippen und Mund
Der Mund ist nicht nur wichtig zur Nahrungsaufnahme sondern auch zum Sprechen. Die Lippen selber sind eine hocherotische Gegend und hoch sensibel. Sie werden ennerviert von Zweigen des Trigeminus Nerves. Die Haut der Lippen unterscheidet sich von der normalen Haut dadurch, dass weder Schweiß- noch Talgdrüsen vorhanden sind und auch in der Basalschicht keine Melanozyten vorkommen. Diese relativ ungeschützte Haut ist stark durchblutet und wird von dem musculus orbicularis bewegt. Die Pflege der Lippen findet über eine regelmäßige Bespeichelung durch die Zunge statt. Dabei wird natürlich auch immer das, was auf den Lippen aufliegt, aufgenommen.
Pflege der Lippen
Raue, rissige Lippen sind sicherlich das, was frau überhaupt nicht haben möchte, zudem zeigen sich am Lippenrand häufig Sachen wie Allergien oder Herpes. Dort sind sie besonders schmerzhaft. Deswegen tragen die meisten Menschen auf den Lippen eine Pflege auf, die meist ein Fettstift oder eine Salbe ist.
Eine Stiftrezeptur ist relativ einfach zusammen gesetzt: In einer Wachsschmelze werden unterschiedliche Öle dispergiert und heiß in Formen gegossen und abgekühlt. Das kann man sich vereinfacht wie Kerzen gießen vorstellen. Sollen Pigmente eingearbeitet werden, werden diese in der Regel in einem Öl vordispergiert und kurz vor dem Gießen zur Schmelze gegeben.
Problematische Inhaltsstoffe im Lippenstift
Lippenstifte gibt es seit mehr als 150 Jahren und seitdem haben die Rezepturen viele Wandlungen erfahren.
Schaut man sich aber an, welche Lippenstifte den Markt beherrschen, so sind viele schon keine Stifte mehr, sondern Pasten, die mittels eines Applikators aufgetragen werden. Sie versprechen mehr als herkömmliche Stifte, nämlich: glossig, mattierend oder long-lasting zu sein.
Von einem auf Paraffin basierenden Fettstift sind wir spätestens in den 1990iger Jahren abgerückt, da dadurch ja auch Paraffine oral aufgenommen werden und Fütterungsstudien an Ratten zeigten, dass es zu Veränderungen der inneren Organe kommen kann. Daraufhin wurden sogenannte „aceptable daily intake doses“ festgelegt Dieses betrifft “mineral oil saturated hydrocarbons” (MOSH), welches die langkettigen Paraffinöle beschreibt. Eine schöne Übersicht, daüber wie sich die Gesetzgebung und Regulierung von Inhaltsstofffen in Lippenstiften verändert hat gibt es von der Harvard Universität.
Letztendlich aber hat sich der Markt (auf Druck der Verbaucherinnen) dahin gehend verändert, dass Paraffinöle in Lippenstiften keine Rolle mehr spielen. Mit Ausnahmen, die aber später.
Pigmente, UV-Filter und Konservierungsmittel
Diese Komponenten gehören schon in der Kosmetikverordnung zu denjenigen, die nur nach vorheriger toxikologischer Überprüfung eine Zulassung erhalten. Zum Einsatz in Lippenstiften müssen sie zudem auch unbedenklich bei der oralen Aufnahme sein. Dennoch geraten sie immer wieder in die Kritik und werden kontinuierlich neu bewertet. Wie zB TiO2
Klassische Konservierungsmittel finden sich üblicherweise nicht in Lippenstiften, da es sich bei dieser Produktgruppe um wasserfreie Formulierungen handelt.
Viele der Farbstoffe werden schon heute nicht mehr in Lippenstiften eingesetzt. Das hat Folgen, denn solche Farben wie ein leuchtendes Rot oder ein sehr dunkles Weinrot sind damit schwieriger herzustellen. Obwohl kirschrote Lippen ein Dauerbrenner sind.
Ob in Lippenstiften Lichtschutzfilter enthalten sein sollen, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ja, die Lippen sind sehr empfindlich und ein Stift mit Lichtschutz empfiehlt sich immer dann, wenn man länger outdoor unterwegs ist: Beim Skifahren ZB oder beim Wandern. Für den normalen Gebrauch sollten die enthaltenen Pigmente (Titandioxid und Eisenoxide) ausreichen.
Werden Lichtschutzfilter eingesetzt, so sind Zink- und Titandioxid als Nanomaterialien eigentlich am Sinnvollsten, werden von Ökotest aber konsequent abgewertet. Eine Verwendung von organischen Lichtschutzfiltern in dekorativen Lippenstiften ist eigentlich unnötig. Lippenpflegestifte enthalten sie jedoch in ziemlich großen Mengen.
Weil ich es mir wert bin
In keinem anderen Kosmetiksegment scheiden sich kosmetische Kompetenz, Mode und Naturkosmetik voneinander wie bei Lippenstiften. Nach dem Zweiten Weltkrieg erstarkte mit der Modeindustrie auch die Verwendung von Lippenstift. Und so macht es auch Sinn, dass viele Dekorative Kosmetikprodukte regelmäßig in neuen Trendfarben angeboten werden. Lippenstifte und Nagellacke sind dabei die farbenfreudigsten.
Deswegen ist der Marktführer in punkto Lippenstifte auch der französische Konzern L’Oréal. Mit „Weil wir uns es wert sind“ versuchen sie an einer Stelle, das Selbstwertgefühl von Frauen zu stärken, um an anderer Stelle Kasse zu machen.
Schaut man sich also an, was der Marktführer L’Oréal in Lippenstifte hinein mischt, dann scheinen die Franzosen von den aktuellen Entwicklungen wenig beeindruckt zu sein. Denn der Bestseller Color Riche enthält viele der problematischen Inhaltsstoffe. . Es werden Paraffine in allen Varianten verwendet, alle gängigen Pigmente sind unter „may contain“ gelistet, synthetische und natürliche Rohstoffe sind enthalten und Parfum.
Verwendungsempfehlungen
Lippenstifte heute sind immer auch ein Prestige Produkt, bei dem die Verpackung (wie bei Parfums) was hermachen soll. Eines sollte sie aber immer sein, funktional. Dabei ist der Drehmechanismus immer noch die beste Lösung. Damit läßt sich der Lippenstift auch mit einer Hand Kontouren genau auftragen.
Dennoch bieten immer mehr Labels in der Naturkosmetik Lippenstifte an. Diese lassen sich auch ökologisch korrekt und Tierleid-frei formulieren. Aufpassen muß frau dennoch, denn „vegan“ sind auch Paraffinöle und –wachse sowie Silikonöle. Wenn frau also wirklich biozertifizierte Lippenstifte verwenden will, dann geht das nur mit mineralischen Pigmenten und alle knalligen Rottöne sind damit weg. Und auch bei den großen Herstellern wird man die (noch) nicht finden, dafür stellt die Tierrechtsorganisation peta aber kleinere Unternehmen, die das schon auf die Reihe bekommen, vor.
Bildnachweis:
Titelbild Shutterstock Stock Photo ID: 184679738.