Gibt es ihn wirklich? Den Washout – Effekt?

Ziel der Hautpflege ist die Gesunderhaltung der Haut, den Erhalt ihrer Funktionsfähigkeit und der der Stärkung der Barrierefunktion. Das steht meist auch – in viel schöneren Worten – auf jeder Kosmetikverpackung. Doch immer wieder werden unerwünschte Effekte diskutiert. Sie können durch einige Inhaltsstoffe hervorgerufen werden.

In diesem Beitrag soll es daher um ein sehr eigentümliches Phänomen in der Hautpflege gehen. Den Washout-Effekt. Als solchen bezeichnet man übrigens nicht die gründliche Reinigung der Haut von Schmutzpartikeln. Damit könnte auch der Natural Moisturizing Factor (NMF) also Salze auf der Haut, „ausgewaschen“ werden. Sondern etwas anderes: Das unbeabsichtigte „auswaschen“ von Barrierelipiden und zwar nicht durch die Reinigung, sondern durch Pflege.

Die Hautbarriere

Die Haut ist unser größtes Organ und in Schichten aufgebaut (1):

  • Epidermis, die äußerste Schicht
  • Dermis, die darunter liegende Schicht mit Haarbälgen, Nerven und Kollagenfasern
  • Subcutis mit Blutgefäßen und Fettgewebe.

Dieses Zusammenspiel der verschiedenen Schichten bietet einen optimalen Schutz gegen äußere Einflüsse.
Die Epidermis spielt dabei eine ganz besondere Rolle, da sie sozusagen an vorderster Front steht. Sie ist ebenfalls stratifiziert (Abb. 1) und eine ausgeklügelte Kombination von chemischen, physikalischen und biologischen Barrieren sorgt für ihren  Schutzeffekt (2). Dabei ist sie ausgesprochen dünn.

Abbildung 1: Die Stratifizierung der Epidermis: In der Epidermis werden die in der Basalschicht neu gebildeten Keratinozyten sukzessive zu Corneozyten umgebaut. Bei diesem Prozess spielen viele Enzyme eine Rolle. In der obersten Schicht, der Hornschicht oder auch Stratum Corneum (SC) genannt, finden sich nur noch Corneozyten. Diese werden durch Corneodesmosomen und Lipide zusammen gehalten. Im Laufe der Zeit schilfern sie ab und vermischen sich auf der Hautoberfläche mit Sebum und dem NMF. Auf diese Art bilden sie auf der Hautoberfläche das Substrat für die Bakterien, die dort leben. Das Hautmikrobiom. Dieses hat eine zusätzliche Schutzfunktion (3).

Die lamellare Struktur der Barrierelipide

Ein wichtiger Teil der physikalisch-chemischen Barriere der Epidermis sind die sogenannten Barrierelipide. Sie wurden erstmals Von PM Elisas untersucht und haben seitdem das Verständnis von Haut und  Hauterkrankungen – besonders aber Neurodermitis – revolutioniert (4). Die wesentlichen Bestandteile der Lipidbarriere sind Cholesterin, Ceramide und freie Fettsäuren. Sie liegen in einem molekularen Verhältnis von 1:1:1 vor.

Abbildung 2: Die lamellare Anordnung der Barrierelipide ist eine effektive Schicht, die gegen Wasserverlust der Haut nach außen wirkt und gleichzeitig das Eindringen von Substanzen verhindert. Hier dargestellt sind weiterhin verschiedene Penetrationswege für Wirkstoffe in und durch die Haut. Der interzelluläre Weg durch die Lipidbarriere, der transzelluläre Weg, durch die Corneozyten. Die Penetration durch den Haarschaft ist hier nicht abgebildet. Quelle: (5)

Mineralöl – bleibt es nur auf der Haut?

In der modernen Kosmetik wird der Einsatz von Produkten petrochemischer Herkunft kritisch hinterfragt. Dabei war der Einsatz von Mineralölen und Vaseline (Petrolatum) in der Hautpflege und vielen dermatologischen Rezepturen lange der „Gold Standard“. Vor 10 Jahren wurde er sogar noch als günstig beschreiben bei der Reparatur der Hautbarriere (6). Durch den okklusiven Effekt staut sich das Wasser im SC, welches sich positiv auf Reparaturmechanismen auswirkt, sagen die Autoren.
Diesen Effekt hat nicht nur Mineralöl alleine, sondern wird auch bei vielen Pflanzenölen erreicht, wenn auch nicht im gleichen Maße.
Für Petrolatum jedoch wurde nachgewiesen, dass es nicht nur AUF der Hautoberfläche verbleibt, sondern sich auch IN den Schichten der Barrielelipide anreichert. Nach kontrollierter Hautschädiung lässt es sich in tieferen Schichten finden und ersetzt z.T. die lamellare Struktur der Hautlipide (7). Das soll angeblich die Barrierereparatur beschleunigen.
Ein entschiedener Gegner des Einsatzes von Mineralölderivaten aber ist PM Elias, der zu Bedenken gibt, dass sich der Zustand sensibler Haut, trotz anfänglicher Reduktion von Trockenheit, langfristig durch die Verwendung solcher Produkte verschlechtern kann (8). Mindestens bei geschädigter Haut scheint es daher sinnvoll zu sein, auf Mineralölprodukte zu verzichten.

Ethoxylierte Emulgatoren beeinflussen die Hautbarriere

Ein wesentlicher Bestandteil kosmetischer Formulierungen sind Emulgatoren. Während früher viel Stearinsäure und ihre Salze eingesetzt wurden, galten etwa ab den 1970 Jahren nichtionische Emulgatoren auf Basis von Polyethylenglycol veresterten Fettsäuren oder veretherten Fettalkoholen als das non-plus-ultra. Besonders in Punkto Stabilität und Hautverträglichkeit. Sie wurden in etlichen dermatologischen und kosmetischen Formulierungen verwendet. Als vor etwa 20 Jahren Marie Loden in ihrer Publikation nachwies, dass ethoxylierte Emulgatoren „schlecht“ für die Hautbarriere sind, schlug das ein wie eine Bombe. Die Veröffentlichung damals trugen im Titel „unerwartet“ (9). Sie wieß nach, dass nach dem Einsatz von Formulierungen mit ethoxylierten Emulgatoren der TEWL (transepidermaler Wasserverlust, eine Meßgröße für die Barriereigenschaften der Haut) nicht zurück ging. In den nachfolgenden Jahren wurde dieses Phänomen weiter untersucht.
Dabei penetrieren lipophile ethoxylierte Emulgatoren (geringer HLB Wert) stärker in die Haut  als hydrophile (hoher HLB Wert) (10).

Diesen sogenannten Washout-Effekt  betrachteten auch Wohlrab et al.(11) und verglichen DMS Cremes (12) mit „klassischen“ Emulsionen (auf Basis von: Cetearyl Glucoside, Polysorbate-20 und PEG-20 Stearate). Die DMS Creme und die Formulierung mit Cetearyl Glucoside verblieben im Gegensatz zu den ethoxylierten Emulgatoren überwiegend im Stratum Corneum. Aber auch von den Emulgatoren der DMS Creme ist bekannt, dass sie mit den Barrierelipiden wechselwirken (13).

Abbildung 3: Modell, wie Penetrationsenhancer, die lamellare Struktur der Barrierelipide stören und damit die Penetration anderer Substanzen erleichtern. A: Normale Barrierelipide in dichter Anordnung. B: Aufbrechen der Anordnung durch Ölsäure, rot, Quelle (14)

Wirkstoff-Targeting mit ethoxylierten Emulgatoren

Lipide und Emulgatoren von kosmetischen Formulierungen interagieren immer auf irgendeine Art mit der Haut und den Barrierelipiden (15). Dieses macht man sich gezielt zu Nutze, wenn man nach Penetrationsverstärkern in der Wirkstoff-Applikation sucht. Es werden dabei unterschiedliche Wege diskutiert (Abb. 2). Nach Untersuchungen von Liu et al mit spektroskopischen Methoden aber scheint der Weg über die Störung der lamellaren Anordnung der Barrierelipide der wahrscheinlichste zu sein (16, 17).

Wichtig zu unterscheiden sind dabei Penetrationstiefen. Der dermale Transport, bei dem der Wirkstoff in der Epidermis verbleibt (und dabei mit den Barrierelipiden interagiert) und der transdermale Transport, bei dem der Wirkstoff durch die Haut in die Blutversorgung gelangt (18). Letzteres ist ein no-go für kosmetische Formulierungen.

Eine interessante Entwicklung sind dabei die Niosomen, in denen ethoxylierte Emulgatoren mit Cholesterin oder anderen Substanzen zu Vesikeln geformt werden (19, 20). L’Oréal patentierte in den 1980 Jahren eine Komposition und brachte sie mit der Marke Lancome auf den Markt (21).

Heutzutage wünschen VerbraucherInnen aus unterschiedlichen Gründen, dass ethoxylierte Verbindungen nicht in kosmetischen Formulierungen verwendet werden.

Barriere stärkende Hautpflege

In Zeiten, in denen die VerbraucherInnen immer tollere und tiefgreifendere Effekte von ihren Kosmetikprodukten erwarten, werden Inhaltsstoffe, die das ermöglichen auch eingesetzt werden. Wenn allerdings die Barrierestärkung im Vordergrund steht, werden Produkte mit einer ausgewogenen Emulgator/Lipid-Mischung die bessere Wahl sein.

Dabei sind einzelne Inhaltsstoffe nicht per se gut oder schlecht, denn auch Wasser, das ja bekanntlich in fast jeder Creme enthalten ist, kann als Penetrationsverstärker wirken.
Den Washout-Effekt, bei dem eine Verringerung des TWEL die Folge ist, hat es möglicherweise nicht nur durch die ethoxylierten Emulgatoren, sondern durch andere Komponenten in der Rezeptur gegeben.

Generell gilt auch in der Hautpflege – weniger ist mehr.

Literaturliste

(1) Wikipedia: Haut
(2) DejaYu: Hauttypen
(3) DejaYu: Das Hautmikrobiom
(4) Elias PM, Wakefield JS, Man MQ: Moisturizers versus Current and Next-Generation Barrier Repair Therapy for the Management of Atopic Dermatitis. Skin Pharmacol Physiol 2019;32:1-7.
(5) Anjamaki: Transportwege durch das Stratum Corneum
(6) Rawlings, A.V. and Lombard, K.J. (2012), A review on the extensive skin benefits of mineral oil. Int J Cosmet Sci, 34: 511-518.
(7) Ghadially R, Halkier-Sorensen L, EliasPM, Effects of petrolatum on stratum corneum structure and function, Journal of the American Academy of Dermatology, 1992, 26 (3), 387-396.
(8) Elias PM, Wakefield JS, Man MQ. Moisturizers versus Current and Next-Generation Barrier Repair Therapy for the Management of Atopic Dermatitis. Skin Pharmacol Physiol. 2019;32(1):1-7.
(9) Bárány E, Lindberg M, Lodén M. Unexpected skin barrier influence from nonionic emulsifiers. Int J Pharm. 2000 Feb 15;195(1-2):189-95.
(10) Casiraghi A, Selmin F, Minghetti P, Cilurzo F,Montanari L, Dragicevic N, Maibach HI, Nonionic Surfactants: Polyethylene Glycol (PEG) Ethers and Fatty Acid Esters as Penetration Enhancers in Percutaneous Penetration Enhancers Chemical Methods in Penetration Enhancement: Modification of the Stratum Corneum, 2015, Springer Berlin Heidelberg, 251-271.
(11) Wohlrab J, Klapperstück T, Reinhardt HW, Albrecht M. Interaction of epicutaneously applied lipids with stratum corneum depends on the presence of either emulsifiers or hydrogenated phosphatidylcholine. Skin Pharmacol Physiol. 2010;23(6):298-305.
(12) DejaYu: DMS Creme
(13) Personal Care Magazine 2018: Biomimetic Emulsifiers
(14) Engelbrecht TN, Schroeter A, Hauß T, Neubert RHH, Lipophilic penetration enhancers and their impact to the bilayer structure of stratum corneum lipid model membranes: Neutron diffraction studies based on the example Oleic Acid,
Biochimica et Biophysica Acta (BBA) – Biomembranes, 2011, 1808 (12), 2798-2806
.
(15) Haque T, Talukder MMU. Chemical Enhancer: A Simplistic Way to Modulate Barrier Function of the Stratum Corneum. Adv Pharm Bull. 2018;8(2):169-179.
(16) Liu Y, Lunter DJ, Profiling skin penetration using PEGylated emulsifiers as penetration enhancers via confocal Raman spectroscopy and fluorescence spectroscopy, European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics, 2021, 166, 1-9.
(17) Liu Y, Lunter DJ. Systematic Investigation of the Effect of Non-Ionic Emulsifiers on Skin by Confocal Raman Spectroscopy—A Comprehensive Lipid Analysis. Pharmaceutics. 2020; 12(3):223
(18) Richard C, Cassel S, Blanzat M, Vesicular systems for dermal and transdermal drug delivery, RSC Adv., 2021, 11, 442-451.
(19) Science direct: Niosome
(20) Rigano L, Lionetti N,Chapter 6 – Nanobiomaterials in galenic formulations and cosmetics, Nanobiomaterials in Galenic Formulations and Cosmetics, Grumezescu AM, Ed, 2016, William Andrew Publishing, 121-148.
(21) L’Oréal Webseite: Science and technology

Bildnachweis:

Titelbild: Shutterstock, Urheber Christoph Burgstedt
Abbildung 1: eigenes Werk, verwendbar unter CC BY-SA 3.0
Abbildung 2: wikipedia, Anjamaki: Transportwege durch das Stratum Corneum
Abbildung 3: Engelbrecht TN, Schroeter A, Hauß T, Neubert RHH, Lipophilic penetration enhancers and their impact to the bilayer structure of stratum corneum lipid model membranes: Neutron diffraction studies based on the example Oleic Acid,
Biochimica et Biophysica Acta (BBA) – Biomembranes, 2011, 1808 (12), 2798-2806
.

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