Tattoo-Pflege: Wie Beiersdorf in die geheime Welt der Tätowierer einsteigt

Skin Stories, so heißt das Produkt, das mir über den Handyscreen angezeigt wird. Es handelt sich um eine ganze Serie zur Pflege der Haut mit Tattoos. Die Models für die Werbestrecke sind alle viel, aber ästhetisch tätowiert. Macht sich Beiersdorf mit dieser Pflegeserie in die geheime Welt der Tätowierer auf?

Körperkunst

Seit vielen Jahrtausenden machen die Menschen Markierungen auf ihre Haut: aus religiösen, gesundheitlichen Motiven oder Gründen der sozialen Zugehörigkeit. Erst im vergangenen Jahrhundert ist das Tattoo mehr geworden – eine Modeerscheinung.

Und wie das so ist, wenn etwas Mode wird, es gibt KünstlerInnen und DilettantInnen, ansprechende und abstoßende Designs und gut oder schlecht gemachte Mode. War es vor 40 Jahren noch ein Skandal, wenn sich jemand hat tätowieren lassen, so ist es heute mainstream – gähn.

Dennoch, in der Altersgruppe der 18-34 jährigen sind viele tätowiert und wollen, dass die Körperkunst über einen langen Zeitraumhinweg auch gut aussieht.

Tattoo im Wesentlichen noch  geheim?

Tätowieren ist eine Kunst für sich, ein Handwerk und zwar eines, das noch vor Jahren völlig unreguliert ablief. Set 2009 ist die sogenannte Tätowiermittel-Verordnung (TätoV) in Kraft. Seit Januar 2022 werden bestimmte Stoffe in Tätowiermitteln beschränkt und sorgen in der Szene für Unverständnis. Bei mir übrigens auch, denn es handelt sich um Phathylocyaninfarben CI 74160 und 74260, die auch in der Kosmetik zugelassen sind.  

Diese Verordnungen  orientieren sich an der Kosmetikverordnung, in der bestimmte Inhaltsstoffe zugelassen sind wie Konservierungsmittel, UV-Filter und Farbstoffe, aber auch wie ein Produkt zu deklarieren und die Herstellung statt finden muß (nach GMP), usw.

Und sie fordert eine Deklaration der Inhaltsstoffe, genau wie für Kosmetika. Eine telefonische Anfrage Ende Juni bei DeepColours! in Neuburg am Rhein führte mich zum Geschäftsführer Herrn Michel, der mich barsch wissen ließ, dass er nicht möchte, dass über seine Tätowierfarben in einem Kosmetikblog berichtet wird. Über meine Frage nach der Inhaltsstoff-Deklaration meinte er nur, ich solle mir doch ein Produkt kaufen. Das Telefonat mit der rüden Antwort bestätigt das fragwürdige Image der Tattoofarben.  Dumm gelaufen, Herr Michel.

Dass Tätowiererinnen auch anders können, zeigt mein Interview für Pinkmelon mit Andra Lukner 2014

Tattoo-Farben – Inhaltsstoffe revealed

Schaut man sich an welche Infos in Sachen Permanent-Make-up verfügbar sind, wird die Geheimniskrämerei des Tattoo-Farben-Herstellers noch unverständlicher.

Tabelle 1: Zusammensetzung Tattoo-Farben, adaptiert nach Michael Dirks https://karger.com/books/book/174/chapter/5110788/Making-Innovative-Tattoo-Ink-Products-with aus dem Buch „Tattooed Skin an Health“ aus dem Karger Verlag, 2015.

Die Zusammensetzung von Tattoo Farben ist für viele Dermatologen und Allergologen von großer Wichtigkeit, um herauszufinden, welche Inhaltsstoffe für allergische oder akut toxische Reaktionen verantwortlich sind.
Obwohl eine Volldeklaration der Inhaltsstoffe  seit 2009 von der TätoV  gefordert ist, finde ich sie im Internet nur für Farben, die im Bereich des Permanent Make-ups verwendet werden.

Tabelle 2: Zusammensetzung von Permanent-Make-up. Dies Zusammensetzung ist derer von Tattoo Farben sehr ähnlich, weil sie gleich angewendet werden. Quellen: LaBina , Bodycult Beauty.  
Auffällig: Trotz der Tätowiermittelverordnung lassen sich im Internet auf den Herstellerseiten keine Inhaltsstoffangaben finden, wie sie auf der Packung gefordert werden. Lediglich im Bereich des Permanent Make-ups wird hier der Forderung des Gesetzgebers Rechnung getragen.

Tattoo or not to

Jedes Tattoo ist auch eine Verletzung der Haut. Beim Stechen der Bilder penetrieren die Tattoonadeln die Haut 1-2 mm tief. Ziel ist es, die Pigmente in die Dermis zu bringen, wo sie von Macrophagen umschlossen werden und dort verbleiben.
Gute TätowiererInnen haben ihr Handwerkszeug im Griff und stechen nicht tiefer oder zu viel.  Damit die Pigmentdispersion gut fließend ist, werden Dispergierhilfen und Netzmittel eingesetzt – wie beim Make-up auch.

Dieses YouTube Video erläutert sehr transparent, was beim Tätowieren passiert und räumt mit einigen Vorurteilen auf.

Insgesamt aber hüllt sich der Tätowierbereich immer noch in geheimnisvolles Schweigen, wenn es um die Zusammensetzung der Pigmentdispersionen, aber auch der Pflegeprodukte geht. Das finde ich umso unverständlicher, weil beides doch- ähem – mainstream ist …

Heilung von Tattoos

Nach dem Stechen des Tattoos aber kommt es immer zu einer Reizung, die sich in geröteter und geschwollener Haut manifestiert. In wenigen, dramatischen Fällen kann sich eine Kontaktallergie entwickeln.  
Wichtig ist es daher, dass die Tätowiererin absolut hygienisch arbeitet, und die Wundversorgung – ja richtig gelesen – ordentlich erfolgt. Mit Desinfektion und atmungsaktiven Pflastern. In den ersten Tagen nach dem Tattoo-Stechen ist also Wundversorgung angesagt, erst danach kann eine Pflege aufgetragen werden.

Am besten wird eine Intensiv-Pflege verwendet, die die Abheilung beschleunigt, die nach 21 bis 28 Tagen abgeschlossen ist. Danach kann eine ganz normale Hautpflege verwendet werden. Allerdings sind Tattoos lichtempfindlich wie kulturhistorisch wertvolle Gemälde. Deswegen ist Sonnenschutz angesagt, wenn man die Schönheit der Bilder erhalten möchte.

Skin Stories – Beiersdorf schreibt ein neues Kapitel Hautpflege

Wenn mir also schon mein Thema durchs Internet zugeflogen kommt, so schaue ich doch mal hinter die Story und habe mir den Rapid Repair Balm 50 ml für 9,95 € bei dm besorgt. „Entwickelt mit Tätowierern und Beiersdorf Hautexperten“ steht auf der Tube. Schön, es tut sich also was bei den sonst so steifen Hanseaten, das vor 20 Jahren schlicht undenkbar war.

Abbildung: Rapid Repair Balm aus der Serie Skin Stories ist von der Tube her einer Farbtube nachempfunden

Und auch diese Rezeptur ist eine für Beiersdorf neue Generation. Zum einen setzen sie konkrete Mengen Panthenol ein, nämlich 5%. Ab dieser Konzentration ist die Hautreparatur nachgewiesen. Zum anderen ist die Formulierung eine Wasser-in-Öl Emulsion, die aber mit Lipiden formuliert wurde, die als Silikonöl-Ersatz verwendet werden. Das ergibt  ein sehr pflegendes Hautgefühl, das sich aber nur kurz fettig anfühlt.

Der Marketing Gag allerdings ist die „InkGuard-Technologie“, die durch die Kombination von BerryFlux Vita, Panthenol und Vitamin E erreicht werden soll. Schaut man auf die Inhaltsstoff-Liste, so stehen Vitamin E und Rubus Idaeus Leaf Cell Culture (= Himbeere) ziemlich weit am Ende und werden unter 1% in der Formel enthalten sein. Der Heilungsbeitrag kommt also nur durch das Panthenol.

Die drei weiteren  Produkte der Serie, ein Hydrogel und zwei Body Lotions mit Lichtschutz, sehen  aus wie aus dem „Standard“-Sortiment der Beiersdorf Formelentwicklung, also nichts Neues und die InkGuard Technologie eher Nebensache. Bei dem Repair Balm kann ich mir aber vorstellen, dass er zukünftig auf für andere Anwendungsbereiche eingesetzt werden kann. Nämlich als Ersatz bisheriger Panthenol Formulierungen auf Basis von Paraffin Öl und Vaseline. Im Apothekensegment. – Leider aber nicht in der Repair&Care Pflegeserie, die Beiersdorf auch gerade bewirbt.

Braucht ein Tattoo extra Pflege? Oder ist es Strategie?

Ein Tattoo läßt man sich ja nicht mal aus einer Laune heraus  stechen, wie man beim Drogeriemarkt ein Produkt in den Warenkorb legt. Es ist eher so wie bei einem Kosmetikstudio, in dem  man Vertrauen in die Betreiberinnen hat und sich dort gut aufgehoben fühlen möchte. Kosmetikstudios vertreiben häufig Pflegeprodukte von Marken, die nicht im Einzelhandel erhältlich sind. Das sieht bei Tattoo Studios ganz genauso aus. Der Vorstoß von Beiersdorf nun in diesen Bereich ist vielleicht der vorsichtige Versuch in der Kabinenkosmetik Fuß zu fassen, oder einfach auf anderem Terrain Produkte auszuprobieren  Es könnte somit ein strategischer Move sein – wie übrigens bei O.W.N. auch, gar nicht um personalisierte Kosmetik zu verkaufen, sondern Nachfüllpatronen zu etablieren.  Denn für eine Tattoo-Pflege  wäre auch eine Allzweckcreme keine schlechte Wahl.

Aber, wenn man sich die Beanstandungen der Untersuchungsbehörden ansieht, so wäre es vielleicht eine gute Idee, wenn die großen Kosmetikhersteller, auch Tattoo-Farben entwickeln würden.

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