Ein Abgesang: Silikone in Kosmetik – ohne Zukunft

Silikone: Sie liefern überlegene ästhetische Eigenschaften, haben unerreichte sensorische Charakteristika und sind preislich günstig. Deswegen werden sie gerne als Rohstoffe in kosmetischen Produkten eingesetzt. Doch sie sind aus verschiedenen Gründen in der Kritik. Hier beleuchte ich diese Rohstoffklasse.

Silikone sind im weitesten Sinne organische Polymere mit einem anorganischen Rückgrat. Durch die Kombination der organischen und anorganischen Welt, besitzen sie Eigenschaften, die sie in allen technischen Bereichen, bei denen chemische Inertheit wichtig ist, eingesetzt werden können: Elektrische Isolatoren, Brandschutzmittel, Entschäumer, Dichtungen, Fugenkitt, medizinische Materialien (1) usw… und natürlich auch in der Kosmetik.

Vergleich der Elemente Kohlenstoff und Silizium

Dadurch, dass Kohlenstoff, Elementnummer 6 und Silizium, Elementnummer 14 in der gleichen Hauptgruppe (4. Hauptgruppe) stehen, ähneln sich ihre Eigenschaften. Die Reaktionsprodukte mit Sauerstoff jedoch sind sehr unterschiedlich.
Bei der Reaktion von Kohlenstoff mit Sauerstoff entsteht CO2, eine gasförmige Substanz, die von Pflanzen oder Algen aufgenommen werden kann. Mit Hilfe des Sonnenlichtes wird sie in Zucker und O2 umgewandelt.


Abbildung1: Elemente, die in der gleichen Hauptgruppe (oder Nebengruppe) stehen, werden auch Homologe genannt. Sie haben ähnliche chemische und physikalische Eigenschaften (2). Periodensystem, Quelle (3).

Bei der Reaktion von Silizium mit Sauerstoff entsteht SiO2 (Sand), eine feste Substanz, die in allen gängigen Lösungsmitteln unlöslich ist. SiO2 ist ein wesentlicher Bestandteil der Erdkruste.
In reiner Form begegnen uns die Elemente Kohlenstoff als: Diamant, Graphit, Kohle und Ruß.
Silizium in reinere Form wird in Microchips und in der Photovoltaik verwendet (4, 5).

Synthese der Silikone

Silikon ist ein generischer Begriff, der sowohl flüssige cyclische und lineares Silikone umfasst, als auch substituierte und funktionalisierte Silikone. Wer ALLES darüber wissen will, sollte sich „Silicones for Personal Care“ herunter laden (6). Dabei gilt der Verfasser Anthony J. O’Lenick nach Cosmetics & Toilettries als einer der „Großen“ in der Branche.


Abbildung 2: Synthese von linearen, unverzweigten Silikonen nach Müller-Rochow (7). Ihre Synthese wurde während des Zweiten Weltkrieges entdeckt (8). Dabei reagiert zunächst Silizium mit Chlormethan zu Dichlordimethylsilan. Dieses kondensiert in wässriger Lösung weiter zu Polydimethylsiloxan.


Abbildung 3: Allgemeine Strukturformel von linearen Silikonen. Wenn R=CH3, gehört das Molekül zu den Dimethiconen, linearen flüssigen Silikonen. Ist R=OH, gehört das Molekül zu den Dimethiconolen, die zu den Silikon-Gummies gezählt werden. Alkyl Dimethicone Copolyole sind an dem grün markierten Bereich mit einem langkettigen Alkyl-Rest substituiert und in dem blau markieren Bereich  mit einem Polyol-Ether.  Dimethicone Polyol Ester sind  nur an dem blau markierten Bereich mit einem Polyol-Ether, der am Ende verestert ist, substituiert.

Welche Silikone verwendet man in  Kosmetika?

Silikone haben spezielle Anwendungseigenschaften, die so mit anderen kosmetischen Rohstoffen nicht zu erhalten sind (9). Auch die Auswahl des „richtigen“ Silikones für die jeweiligen Formulierungen ist nicht einfach (10) und braucht Erfahrung in der Formulierung.

Die Silikone, die in Kosmetka eingesetzt werden, erkennt man an der Endung  -methicone, -siloxane  oder -silylate.

  • Cyclomethicone (D4, D5, D6) sind zyklische leichtflüchtige Verbindungen. In den meisten Ländern dieser Erde ist aber nur noch der Einsatz von D6 erlaubt, D4 und D5 nur in den technisch unvermeidbaren Mengen. Cyclomethicone zeichnen sich durch ihr Flüchtigkeit aus, das trockene Hautgefühl und ihren Einsatz in long-lasting und wasserfesten Produkten (11).
  • Dimethicone sind lineare Methyl-verzweigte Siloxan-Polymere. Es gibt sie in unterschiedlichen Kettenlängen und ein einem weiten Viskositätsbereich (11). Sie werden auch als Coatingmaterialien für Pigmente verwendet. Als reiner Stoff finden sie in Gleitmitteln Anwendung (12, 13).
  • Dimethiconol: Bei ihnen ist eine Methylgruppe des Polydimethylsiloxans durch OH ersetzt. Sie werden auch als Silicone Gum beschrieben. Angeboten werden sie meist als Mischungen mit andern flüssigen Silikonölen oder mit anderen Tensiden. Eingesetzt werden sie überwiegend in Formulierungen für Haare: Shampoos und Conditioner (14, 15).
  • Trimethicone: Der wichtigste Vertreter ist Phenyltrimethicone, der gut mit Alkoholen mischbar ist. Diese Mischbarkeit ist für Silikone sehr ungewöhnlich. Er wird z.B. in Sonnenschutzmitteln eingesetzt zum Boosten des SPFs (16).
  • Silikonelaststomere sind quervernetzte Silikonharze wie z.B. Dimethicone / Vinyl Dimethicone Crosspolymer: Siloxanelastomere sind quervernetzte Polymere, die entweder als Feststoff eingesetzt werden oder als Dispersion in Dimethicone. Beliebte kosmetische Anwendungen sind solche, bei denen es auf ein pudrigen Hautgefühl ankommt und die Vermeidung von Glanz (17).
  • Alkyl Dimethicone werden auch als Silikonwachse bezeichnet so wie z.B. C30-C45 Alkyl Methicone: Silikonwachse sind Hybride aus langen Alkylresten mit einem Silikon. Sie haben wie natürliche Wachse einen Schmelzbereich und glänzen beim Polieren. Einsatz z.B. in Haarwachsen und einigen Stiftformulierungen (18).
  • Silikonemulgatoren wie z.B. PEG-7 Dimethicone werden überwiegend in der Haarpflege eingesetzt.  Aber auch in einigen Hautschutzformulierungen finden sie Einsatz, z.B. Cetyl PEG/PPG 10/1 Dimethicone.
  • Dimethicone Copolyole werden als Benetzungsmittel und Stabilisatoren eingesetzt wie z.B. PEG/PPG Dimethicone . Anwendung finden sie z.B. zur Stabilisierung von Parfums (19).
  • Hydrophob modifiziertes SiO2 wie z.B. Silica Silylate, Silica Dimethylsilate werden als Trennmittel und Stabilisatoren eingesetzt (20).
  • Unter den anderen funktionalisierten Silikone ist Amodimethicone sicherlich das wichtigste. Es wird in der Haarpflege und Shampoos eingesetzt (21).

Silikone geben Kosmetika tolle Anwendungseigenschaften

Dadurch, dass Silikone die Oberflächenspannung signifikant reduzieren und ein exzellentes Spreitverhalten  besitzen, werden sie zur Benetzung von Oberflächen wie auch der Haut gerne genommen. Dabei werden kosmetische Öle häufig auch über ihr Spreitverhalten klassifiziert. Eine gute Creme erhält man, wenn man Öle mit unterschiedlich gutem Spreitverhalten kombiniert.

Spreitverhalten bestimmt man über den  Kontaktwinkel (22).  Bei Kontaktwinkeln von 0-90° gilt die Oberfläche als benetzbar (23). Der Gegeneffekt ist  keine Benetzbarkeit = Lotuseffekt, alles perlt ab. Silikone zeichnen sich sowohl durch eine geringe Oberflächenspannung als auch durch ein gutes Spreitvermögen aus (24, 25).


Tabelle 1: Spreitvermögen von kosmetischen Ölen, fett markiert sind die gängigen Silikonöle und ihre Alternativen. Alternativen für Cyclomethicone (26)

Silikone in Kosmetika – ein Abgesang

In der Euphorie, mit Silikonen wahnsinnig tolle Anwendungserlebnisse zu erzielen, wurde die Kehrseite der mangelnden biologischen Abbaubarkeit lange vernachlässigt. Zwar gab es von den Herstellern immer wieder Dokumente darüber, wie Silikone im Boden (und damit im Klärschlamm) abgebaut werden (27) und auch wissenschaftliche Veröffentlichungen dazu  (28), doch diese werden zunehmend bezweifelt (29).

Doch eigentlich hat der Abgesang auf Silikone woanders begonnen, nämlich mit der Klassifizierung von Cyclomethicone D4 als Presistant Organic Pollutants (POP) (30, 31).  Der ökologische Schaden, den sie anrichten, steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Im Zuge des Verbots des Einsatzes von Cyclomethiconen D4 und D5 in abwaschbaren kosmetischen Produkten ab Januar  2020 werden auch die anderen Silikone in Frage gestellt werden.

Wie ernst es ist, sieht man daran, dass auch L’Oréal, die global auf Basisrezepturen mit Cyclomethicone, Isohexadecane, Certyl Palmitat und PEG-100 Stearate gesetzt haben, einen weit gefächerten Formelrelaunch gestartet haben. Ganz leise natürlich, um niemanden zu verunsichern, denn auf ihrer Website sprechen sie immer noch ganz positiv über Silikone (32).

Generell aber geht der Trend hin zu natürlichen und bio-abbaubaren Lipiden. Kurzkettige Kohlenwasserstoffe – auch bio erzeugte – halte ich dabei für keine Lösung.


Tabelle 2: Pro und Contra zum Einsatz von Silikonen in der Kosmetik

Alternativen zu Silikonen

Ist man nun auf der Suche nach Silikonalternativen, gibt es nicht DIE EINE Substanz, mit der man die gesamten Eigenschaften der Silikone ersetzen kann. Spreitvermögen, Hautgefühl und Verteilbarkeit sind sicherlich die wichtigsten Eigenschaften, doch zunehmend wichtig sind Bioabbaubarkeit und die Öko-Zertifizierung. Dagegen stehen der relativ hohe Preis der Alternativen, das Monopol der jeweiligen Hersteller und die Patentlage. Aber die Rezeptur wird ohne Silikone anders sein als mit.


Abbildung 4: Cyclopentasiloxane, Cyclomethicone D5 und drei seiner relevanten Alternativen. Die Ester zeichnen sich durch eine starke Verzweigung aus und das Carbonate ist eine in der Kosmetik neue Rohstoffgruppe.

Wenn wir Verwenderinnen auf Kosmetika ohne Silikone zurück greifen wollen, müssen wir Abstriche in der Sensorik in Kauf nehmen. Allerdings ist das Jammern auf hohem Niveau, denn auch Formulierungen ohne Silikone haben in der Regel eine gute Verteilbarkeit und ein ästhetisches Hautgefühl. Extremes Long-lasting jedoch ist unter ökologischen Gesichtspunkten nicht erreichbar.

Literatur

(1) Lindemannsilikon: Silikon in der Medizintechnik
(2) Spektrum: Homologe Elemente
(3) Wikipedia: Periodensystem
(4) Euroquarz: Wissen über Quarzsand
(5) Silicones.eu: Was sind Silikone
(6) O’Lenick: Silicones for personal care
(7) Seilnacht: Silikone
(8) Lernhelfer: Herstellung und Verwendung von Silikonen
(9) Lem und Houben: Selecting the right Silicone
(10) personalcaremagazine: Selecting the right Silicone
(11) O’Lenick: Why use silicone in personal care applications? Part 1 – Dimethicone
(12) Pinkmelon: Silikone für Sextoys
(13) Clearcoproducts: Niedirg viskose Dimethicone
(14) Wacker: Haarpflege
(15) Cosmacon: Dimethiconol
(16) DowCorning: Phenyltrimethicone
(17) Dejayu: Kryolan HD Primer
(18) Gransil: Alkyl Dimethicone
(19) O’Lenik: PEG/PPG Dimethicone
(20) cosmeticsinfo.org: Silica Silylate
(21) beautifulwithbrains.com: Amodimethicone
(22) Krüss: Kontaktwinkelmessung
(23) Wikipedia: Kontaktwinkel
(24) Krüss: Spreiten
(25) Wacker.com: Spreitvermögen
(26) BASF: Cetiole
(27) green-flow.co.il: Abbaubarkeit von Silikonen in der Natur
(28) Bioabbaubarkeit von Slikonen
(29) Ökotest: Silikone – Kunststoffe
(30) Wikipedia: Persistent Organic Pollutants POP
(31) https://www.silicones.eu/study/the-origin-and-evolution-of-assessment-criteria-for-persistent-bioaccumulative-and-toxic-pbt-chemicals-and-persistent-organic-pollutants-pops/
(32) L’Oreal Inhaltsstoffe

Bildnachweis

Abbildung 1 adaptiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Periodensystem#/media/Datei:Periodensystem_deutsch_-_neue_Farben.svg

Alle anderen Abbildungen und Tabellen sind eigene Werke und verwendbar unter der Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0

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