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Eine Welt ohne Weiss: Titandioxid verboten!

Titandioxid ist als Feststoff in der Kosmetik als Pigment zugelassen. Auch in vielen anderen Anwendungen findet es Einsatz. Alle kosmetischen Inhaltsstoffe, besonders aber Farbstoffe, UV-Filter und Konservierungsstoffe werden regelmäßig auf ihre toxikologischen Eigenschaften überprüft.

Gerade aber Titandioxid ist nicht nur in der Kosmetik wichtig, sondern überhaupt ein industriell wichtiger Rohstoff, der von Wandfarben bis zu Zuckerglasuren weltweit Anwendung findet. Weltweit wurden nach Schätzungen im Jahr 2023 6 Millionen Tonnen TiO2 verwendet . Und der Markt wächst weiter.

Abbildung 1: Globale Verwendung von TiO2. Das Pigment hat ein ultra breites Einsatzspektrum. In über der Hälfte der Anwendungen aber wird es in Farben und Lacken verwendet. Aber auch, wenn Kosmetik, Lebensmitten und Pharma nur mit 4% zu Buche schlagen, ist das aufgrund der verwendeten Mengen schon eine signifikante Menge. Quelle: https://forum-titandioxid.de/2020/03/12/sachlage-zu-titandioxid-und-titandioxidhaltigen-farben-und-lacken/

Eigenschaften von TiO2

Titandioxid kommt als Mineral vor, in der Regel zusammen mit anderen Metalloxiden, zB mit Eisenoxid im Ilmenit. Die bekanntesten Kristallmodifikationen sind Rutil, Anatas und Brookit, von denen Rutil die größte industrielle Bedeutung hat. Titandioxid zeichnet sich nicht nur durch seine reinweiße Farbe aus, sondern auch durch die hohe Deckkraft.

Abbildung 2: Darstellung der wichtigsten Kristallformen von TiO2. Quelle: https://www.researchgate.net/figure/Abbildung-1-Kristallstrukturen-von-Anatas-Rutil-und-Brookit-Darstellung-nach_fig1_342105856

Eine weitere wichtige Eigenschaft, die im Zusammenhang mit der Kristallmodifikation diskutiert wird, ist die Photokatalyse. Hierfür wird meistens Anatas verwendet, die Rutil Modifikation findet in anderen Anwendungen Verwendung.

Titandioxid in der Kosmetik

Aus der Kosmetik ist Titandioxid nicht wegzudenken. Es ist ein wichtiges Pigment, das in fast allen Produktformen der dekorativen Kosmetik eingesetzt wird. Aber auch in Lichtschutzprodukten ist es ein wichtiger Rohstoff: Dort wird TiO2 in der Regel als Nanopartikel verwendet. Nanopartikel waren und sind immer noch umstritten, weswegen es hierzu auch eine gesonderte Gesetzgebung gibt.

Weiterhin wird  TiO2 als  Lebensmittelfarbstoff unter der Bezeichnung E171 eingesetzt. Er kommt damit in Zuckerglasuren oder aber auch in der Medizin in Tablettenüberzügen vor.

Verbote von Inhaltsstoffen

In der Kosmetikverordnung werden in den Anhängen die verbotene und nur eingeschränkt zugelassene Rohstoffe beschrieben. Dabei wachen verschiedene Organisationen darüber, dass diese Regellungen angepasst werden, wenn sich neue  Ergebnisse / Erkenntnisse ergeben. Dann müssen die fraglichen Rohstoffe vom SCCS oder der EFSA neu bewertet werden. Wenn sich dann der Verdacht auf CMR ergibt, darf der Stoff nicht mehr eingesetzt werden.

CMR Klassifikation

Die Verwendung von als krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuften Stoffen (CMR-Stoffen) in Kosmetikprodukten ist in Ausnahmefällen nach einer Bewertung durch den Wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) zulässig (Neubewertung alle fünf Jahre). In diesen Fällen ist für eine besondere Kennzeichnung Sorge zu tragen, um den Missbrauch des Kosmetikproduktes zu verhindern, und zwar unter Berücksichtigung möglicher Risiken im Zusammenhang mit der Anwesenheit gefährlicher Stoffe und der Expositionswege. Sagt das Umweltbundesamt.

Zu den problematischen Stoffen in diesem Sinne zählen:

  • Stoffe, die als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch Kategorie 1 oder Kategorie 2 eingestuft sind (CMR-Stoffe Kategorie 1 und 2);
  • Stoffe, die als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch Kategorie 3 ein-gestuft sind (CMR-Stoffe Kategorie 3);
  • Stoffe, die als sehr giftig (T+) eingestuft sind;
  • Atemwegssensibilisierende Stoffe;
  • Hautsensibilisierende Stoffe;
  • Hormonell wirksame Substanzen;
  • Persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe (PBT-Stoffe) sowie sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Stoffe (vPvB);
  • Persistente Stoffe;
  • Bioakkumulierbare Stoffe;
  • Als umweltgefährlich eingestufte Stoffe (mit R 50/53) und weitere für die Umwelt problematische Stoffe.

Das ist eine sehr umfangreiche Liste, bei der ich das Augenmerk noch mal auf die CMR Klassifikation richten. Denn bei der Einstufung als 1 oder 2 heißt es nachgewiesene, anzunehmende oder verdächtigte Wirkungen.

Bei Titandioxid ist bei der Inhalation von Staub im Tierversuch eine genotoxische Wirkung nachgewiesen worden. Dazu sagt die EFSA:

„Obwohl die Evidenz für allgemeine toxische Wirkungen nicht schlüssig war, konnten wir auf der Grundlage der neuen Daten und weiterentwickelten Methoden Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität nicht ausschließen und folglich keine sichere Menge für die tägliche Aufnahme des Lebensmittelzusatzstoffs festlegen.”  

Das klingt alles nach: „better safe than sorry“.

Wie gefährlich ist der Einsatz dieses Pigmentes?

Der Erlaß ist im Vorwege sehr kritisch gesehen worden und das Verbot von TiO2 in kosmetischen Produkten verändert worden. Dennoch fragt der BUND nach, wieso TiO2 als Lebensmittelinhaltsstoff verboten wird und dann in Zahnpasta eingesetzt werden darf?

Und die Hersteller haben reagiert. Heute findet man, knapp 2 Jahre nach dem Verbot von TiO2 in Lebensmitteln keine Zahnpasta mehr, die diese Substanz enthält. Mit Folgen, denn die Putzkraft der Pasten ist deutlich schlechter.

Das liegt daran, dass sich kein Hersteller der Diskussion stellen will, ein als CMR eingestufte Substanz zu verwenden.

Generelle Gedanken zu Verboten von kosmetischen Inhaltsstoffen

Im Prinzip ist die regelmäßige Überprüfung von der Unbedenklichkeit von kosmetischen Inhaltsstoffen eine gute Sache. Doch im Fall von TiO2 stelle ich mir auch die Frage, wie ein Stoff, der durch die Einatmung toxisch wirkt, das auch im Magen-Darm-Trakt sein soll.

Und ich frage mich natürlich auch, welche Produkte demnächst noch ohne TiO2 daher kommen werden.  Lippenstifte? Foundations? Sonnenschutzprodukte? Ich frage mich auch, ob solche Interferenzpigmente, die durch Ausfällung von TiO2 auf Glimmer hergestellt werden, auch betroffen sind.

Ich frage mich, warum wir nur die Gesundheit des Menschen betrachten und nicht die der Umwelt?

Und ich frage mich, wie sinnvoll solche Verbote wirklich sind: Ähnlich wie TiO2 ist auch Borax seit seiner CMR Einordnung verboten

Andere gängige Inhaltstoffe für Kosmetika wie Aceton in Nagellackentfernern  oder H2O2 zum Haare färben gelten als gefährlich: Man könnte ja Bomben bauen. Ganz zu schweigen von dem unsinnigen „Sekundenkleber-Verbot“.

Dagegen findet sich offenbar noch immer Kaliumbromat in Brot. Ganz zu schweigen von dem Einsatz wirklich schädigender Stoffe in der konventionellen Landwirtschaft wie zB Glyphosat .

Fazit

Ich kann nicht einschätzen, wie die Diskussionen in den Fachgremien zur Toxikologie von TiO2 gelaufen sind. Offensichtlich ist aber, dass es ein langwieriger und konfrontativer Prozess war. Zudem sind für die Bewertung Ergebnisse aus Tierversuchen herangezogen worden. Tierversuche sind für kosmetische Mittel seit 2013 in der EU komplett verboten. Eine abschließende Bewertung der Aussagekraft solcher Ergebnisse fehlt. Ein Verbot, weil sich für eine lang bekannte Substanz die Unbedenklichkeit nicht nachweisen lassen kann, anstelle einen wirklich unstrittigen Beweises seiner Schädlichkeit zu liefern, halte ich für den falschen Weg.

Würden wir diese Methodik auf andere Bereiche ausweiten, müßte Kochsalz verboten werden, denn nachweislich sind die meisten Todesfälle beim Menschen darauf zurück zu führen. Danach natürlich Zucker, dessen erhöhter Konsum erwiesenermaßen Diabetes befördert usw.

Deswegen sollte man sich noch mal den Satz von Paracelsus zu Gemüte führen sola dosis facit venenum, die Dosis macht das Gift. Gleichzeitig ist der Anwendungsbereich ein relevanter Parameter, denn Stäube sind vor allem in der Herstellung von den Produkten ein Problem und deswegen ist Arbeitsschutz wichtig. Aber Arbeitsschutz und Verbraucherschutz sind zwei komplett verschiedene Dinge….

Bildnachweis:

Titelbild Hintergrund von Stock-Foto ID: 366937658

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Comments

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  1. Du sprichst mir da aus der Seele. Täglich ärgere ich mich über politisch motivierte Verbote und Beschränkungen. Aktuell mal wieder die Diskussion über Phosphat in gewerblichen Wasch- und Reinigungsmitteln. Phosphat ist aus diesen Produkten ist weder die Hauptquelle für den P-Eintrag in Kläranlagen. Wenn man sich mit Stoffwechselvorgängen beschäftigt, weiß man daß ohne P nichts geht. ATP ist der Energielieferant in Zellen.

    • Hallo lieber Ralf,
      vielen Dank für Deinen Kommentar.
      Ich will gar nicht behaupten, dass solche Verbote politisch motiviert sind. Ich unterstelle den Behörden sogar eine ehrliche Absicht, das Beste zu wollen. Denn es ist ja schon so, dass bei vielen Stoffen ihre toxikologischen Profile erst nach dem Einsatz sichtbar werden. Früher hat man halt nicht so umfassend geprüft. Auch, was geprüft wird, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Allerdings ist es offenbar so, dass man ein Verbot erst duchbekommt, wenn der Mensch gefährdet ist. Toxikologische Wirkungen auf die Umwelt wurden/werden häufig billigend in Kauf genommen, gerade in der Landwirtschaft. #glyphosat
      So ist vielleicht beim TiO2 der Hintergrund ein anderer als der kommunizierte. Denn bei den Befunden sehe ich eher ein Thema für den Arbeitsschutz, nicht für den Verbraucherschutz.
      Allerdings ist TiO2 ja auch ein Rohstoff, der weit, weit überwiegend jenseits der Kosmetik verwendet wird. Und da frage ich mich schon, wo die Pigmente aus Anstrichfarben, Lacken und Kunststoffen schlußendlich landen. Bestimmt nur zu geringen Teilen auf Deponieen. Und dann hätten wir einen Rohstoff, den wir massenweise in der Umwelt verbreiten, der nicht abgebaut wird, aber katalytische Eigenschaften beseitzt.
      Eigentlich müßte das Entsorgungs-/Recyclingproblem gelöst sein, bevor man einen Rohstoff einsetzt…. Aber igendwie fällt das immer hinten runter.
      Und insofern ist TiO2 schon ein Thema, nämlich: wie gehen wir mit der Umwelt um. Und Kosmetika sind dort häufig die erste Produktklasse, an der sich solche Diskussionen manifestieren. Die Beispielliste ist lang: Mikroplastik, hormonelle Wirkung von Parabenen, Schädigung mariner Organismen durch UV-Filter usw. Und darüber müssen wir auch diskutieren.
      LG Ghita