In der Aromatherapie werden ätherische Öle verdampft, auf die Haut aufgetragen oder sogar gegessen. Die Komponenten dieser essentiellen Öle, allesamt aus Pflanzen gewonnen, entwickeln dabei erstaunlich gute Wirkungen: Sie verbessern die kognitive Leistung, beruhigen und entspannen. Dabei besitzt die Aromatherapie eine relativ alte Tradition in der Naturheilkunde. Allerdings darf man sich zu Recht fragen, was ein ätherisches Öl von einem Parfüm unterscheidet.
Was unterscheidet Aromatherapie von einem Parfüm
Früher, als noch nicht jeder Wirtschaftszweig industrialisiert war, hat man schon aus Blüten, Samen, Rinde oder Blättern und ähnlichem Duftstoffe isoliert. Die Methoden heißen Enfleurage oder Wasserdampfdestillation. Sie werden auch heute noch angewendet (1, 2). Ein solch ursprüngliches Parfüm ist beispielsweise das Kölnisch Wasser „Eau de Cologne“, das überwiegend aus Ölen von Zitrusfrüchten besteht (3). Als um die Wende zum 20. Jahrhundert Parfüme kreiert wurden, versuchten die Chemiker, die natürlichen Noten mit synthetischen Stoffen zu verstärken (4). Heute setzen sich Parfüms zu überwiegenden Teilen aus synthetisch gewonnenen Substanzen zusammen. Ein „einfaches“ Orangenöl, wie es durch Wasserdampfdestillation der Schalen gewonnen wird, findet eher seinen Einsatz in der Aromatherapie. Der wesentliche Unterschied eines heutigen Parfüms zu ätherischen Ölen der Aromatherapie (sie werden häufig auch essentielle Öle genannt) ist seine Komplexität. Man ist nicht in der Lage, die einzelnen Komponenten zu riechen. Dieses geht bei Ölen zur Aromatherapie sehr gut, das Orangenöl riecht nach Orangenschalen und Lavendel nach Lavendelblüten.
Immer der Nase nach: Geruchsrezeptoren
Das Riechen ist eigentlich ein ganz einfacher Prozeß. Zunächst verdunstet eine chemische Substanz. Dann atmen wir sie ein und dabei kommt sie in der Nasenschleimhaut mit Geruchsrezeptoren in Kontakt. Ist der „richtige“ Sensor dabei, dockt das Molekül an diesen Rezeptor an. Der feuert dann elektrische Impulse Richtung Hirn, wo diese Information wieder decodiert und z.B. als „Furz“, „Banane“ oder „Maiglöckchen“ identifiziert wird (4).
Dabei gibt es für jeden Geruch einen eigenen Rezeptor, der auch schon mal von chemisch ähnlichen Molekülen besetzt werden kann (5). Geruchsrezeptoren nennt man auch olfaktorische Rezeptoren (OR). Für andere Düfte (eigentlich muß man sagen Moleküle) gibt es jeweils andere Rezeptoren, die den olfaktorischen Reiz erkennen. Man geht derzeit davon aus, dass wir Menschen etwa 350 unterschiedliche Geruchsrezeptoren besitzen. Diese werden durch verschiedene chemische Substanzen unterschiedlich stark aktiviert. Da die Geruchswahrnehmung einer unserer ältesten Sinne ist, findet man eine ganz ähnliche „Verdrahtung“ bei vielen Tierarten (6). Weiterhin sind OR nicht nur in der Nasenschleimhaut zu finden, sondern sogar in vielen Zellmembranen (7).
Abbildung 1: Darstellung der Aktivierung verschiedener Geruchsrezeptoren (OR) durch eine homologe Reihe von Alkanolen (Cx-OH) und ihren Alkylsäuren (Cx-OOH). Je länger die C-Kette, desto mehr Rezeptoren werden aktiviert, Alkohol und Säure aktivieren jeweils unterschiedliche Rezeptoren (8, 9).
Dass die Geschichte der olfaktorischen Rezeptoren nicht irgendeine ist, zeigen die Forschungen von Buck und Axel, die damit 2004 den Nobelpreis in Medizin erhielten. Sie identifizierten den genetischen Code der OR und beschrieben diese als G-Protein gekoppelte Rezeptoren (8). Schaut man sich ihre derzeitigen Forschungsgebiete an, so findet man sie, genauso wie Hanns Hatt, in der Krebsforschung.
Wie gelangt der Duft ins Hirn?
Damit nun die Information von den Geruchsrezeptoren ins Hirn gelangen kann, werden sie in elektrische Signale umgewandelt und in den Olfaktorischen Bulbus (OB) geleitet. Dort hinterlassen sie für jeden Duft ein charakteristisches Muster. Vom OB aus werden die Signale wieder decodiert und an den olfaktorische Cortex übermittelt. Von dort werden weitere Gehirnareale aktiviert und beeinflussen sich zum Teil auch gegenseitig (10). Diese Areale sind im limbischen System angelegt:
- Amygdala: Ist in beiden Hirnhälften angelegt und bewertet Signale, Gedächtnis und Erinnerung. Dabei ist sie vor allem für die Entstehung von Angst verantwortlich. Sie schüttet Neurotransmitter aus, die dem Körper signalisieren, dass etwas Bedeutungsvolles oder potentiell gefährliches passiert
- Entorhinaler Cortex: funktioniert als zentrale Verteilstelle für Signale. Wichtig für Gedächtnis, Navigation und das Zeitempfinden
- Hippocampus: verantwortlich für Lernen und Gedächtnis. Vor allem bei Alzheimer Patienten ist dieses Hirnareal betroffen (11)
- Hypothalamus: verlinkt das Nervensystem mit dem endokrinen System. Verantwortlich für Hormonausschüttungen. Weiterhin reguliert er Körpertemperatur, Tag-Nacht-Rhythmus, kontrolliert den Appetit, hat Einfluß auf das sexuelle Verhalten und emotionale Antworten
- Insula: wichtig für das olfaktorische Netzwerk, verarbeitet Emotionen und Sensomotorik, Schmerz und Kognition
- Orbifrontaler Cortex: Verknüpft die sensorischer Wahrnehmung mit Emotion und Gedächtnis
- Piriformer Cortex: nimmt den Duft wahr, spielt eine Rolle bei Epilepsie
- Thalamus: Gilt als das Tor zum Bewußtsein. Entscheidet darüber, was gerade wichtig ist
Abbildung 2: Schematischer Blick auf das menschliche olfaktorische System. Man unterscheidet den primären (blau) und sekundären (grün) olfaktorischen Cortex. Die unterschiedlichen Hirnareale kommunizieren zusätzlich miteinander. Amyg = Amygdala, Ento = entorhinaler Cortex, Hipp = Hippocampus, OFC= orbitofrontaler Cortex, PC = piriformer Cortex, HT = Hypothalamus, Thal= Thalamus (12).
Pheromone: heimliche Botschafter
In diesem Kontext müssen wir über eine Stoffgruppe noch sprechen, der Pheromone. Über viele Jahre hinweg ist debattiert worden, ob wir Menschen Pheromone überhaupt wahrnehmen können. Denn im Gegensatz zu den meisten Tieren haben wir kein Jacobsonsches Organ (auch Vomeronasales Organ (VON) genannt) (13). Allerdings bestätigt jetzt die Wissenschaft, dass auch wir Menschen Pherormon-Rezeptoren besitzen. Diese sehen den ORs ganz ähnlich. Fünf von ihnen sind identifiziert: VN1R1-VN1R5 (14). Ob die Signalweiterleitung von hier ans Hirn genauso läuft wie von den ORs ist noch nicht völlig geklärt. Aber auch die Signale über das VON kommen im Hirn an und sorgen dort (häufig unbewußt) für hormonelle Antworten und beeinflussen unser Sozialverhalten. Und das sind bei Weitem nicht nur Sexuallockstoffe.
Aromatherapie: durch die Haut ins Hirn
Wenn wir uns das Arsenal betrachten, dass durch Duftstoffe und Pheromone bereit steht, stellt sich die Frage, was denn bei den ätherischen Ölen der Aromatherapie so anders ist. Bei der Aromatherapie ist die Wirksamkeit auch ohne olfaktorische Rezeptoren gegeben. Eigentlich funktioniert Aromatherapie damit auch ohne Duft.
Das liegt daran, dass die in ätherischen Ölen enthaltene Terpene zum einen gut durch die Haut penetrieren und dann auch noch gut die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Die geringe Molekülgröße und die hohe Lipophilie machen sie damit zu geeigneten Kandidaten. Gleiches gilt übrigens bei der oralen Aufnahme (15).
Interessanterweise treffen diese Substanzen auch ganz ohne elektrische Weiterleitung durch ORs genau die gleichen Areale im Hirn, wie die Duftstoffe, die „umständlich“ codiert und wieder decodiert werden.
Abbildung 3: Vergleich der Signalverarbeitung und Weiterleitung bei Molekülen unterschiedlicher Herkunft. Bei ätherischen Ölen besteht zudem die Möglichkeit, dass die Moleküle systemisch aufgenommen werden können. Viele ätherische Öle enthalten Terpene, die auch wesentlicher Bestandteil von Parfüms sind.
Lavendel, Banane, Jasmin: Bewiesene Wirksamkeit
In der Wissenschaft sind wir weit davon entfernt, jedem Duftstoff ein Wirkspektrum zuordnen zu können. Dennoch sind einige Einzelkomponenten und ein paar ätherische Öle untersucht worden.
Hedione: Methyldihydrojasmonate ist eine wesentliche Duftkomponente der Jasminblüte. Hedione wurde erstmals von Edouard Demole synthetisiert (16) und ist seitdem in vielen Parfüms enthalten.
Jasmin-Duft erweckt bei Männern und Frauen in der Regel sehr unterschiedliche Emotionen. Forscher haben nun herausgefunden, warum. Mittels Hirnscans haben die untersucht, welche Hirnareale durch den Duftstoff aktiviert werden. Sie konnten feststellen, dass der Hypothalamus geschlechtsspezifisch erregt wird (14). Weiterhin wirkt sich Hedione positiv auf das Sozialverhalten aus (17). Insgesamt aktiviert Hedione den Pheromonrezeptor VN1R1 und moduliert die Hormonsekretion. Damit gilt es als Pheromon (18).
Linalool und Lavendelöl: Wenn es um gutes Einschlafen und Beruhigung geht, ist Lavendel seit alters her das Mittel der Wahl. Seine Wirkung auf das Zentralnervensystem ist mittlerweile gut untersucht und seine Angst lösende Wirkung dokumentiert (19). Dabei wirken nicht alle Komponenten des Lavendelöls gleichermaßen gut, und die Mischung in der Regel am besten. Lavendelöl ist auch wirksam, das Sozialverhalten zu beeinflussen (20).
Amyl Butyrate: Hans Hatt untersuchte mit seiner Forschergruppe viele Wirkweisen von Duftmolekülen und kam bei „Banane“ Amyl Butyrate und Bourgeonal auf eine interessante Wirkweise. Beide Moleküle sorgen in der Luge dafür, dass sich die glatte Muskulatur entspannt. Amyl Butyrate inhibiert weiterhin die Histamin induzierte Zellkontraktion. Damit ist diese Wirkweise für Asthmamittel interessant oder Patienten mit chronisch entzündeter Lunge (21).
…und Weihrauch gegen Streß
Weihrauch: Das Harz des Olibanum ist ebenfalls lange bekannt. In neuerer Zeit ist es vor allem die Boswelliasäure, die in der Hautpflege eingesetzt wird (22). Diese trägt allerdings zum Dufterlebnis nur untergeordnet bei. Die wesentlichen Duftkomponenten von Weihrauch sind eine komplexe Mischung verschiedener Terpene. Diese Mischung löst Angst und erhöht die Aufmerksamkeit. Weiterhin hat das essentielle Öl des Weihrauchs auch eine systemische Wirkung: Es reduziert erhöhte Corticosterone Level und sorgt so für Stressreduktion (19).
Duftstoffe, ob nun als Parfüm, ätherisches Öl oder Pherormon, können also mehr als „duften“. Deswegen wird die Wirkung von Duftmolekülen auch in anderen Bereichen untersucht: Wie Krebstherapie, Fruchtbarkeit usw. Denn viele Zellen tragen Rezeptoren, die den ORs verblüffend ähnlich sehen. An diese könne Duftmoleküle andocken und eine zelluläre Antwort induzieren (7).
Aromatherapie – Heilung für die Psyche
Duftstoffe, ob sie als Parfüm, ätherisches Öl oder Pherormon daher kommen beeinflussen unsere Phsyche. Dort vor allem die Areale, die mit Emotionen, Erinnerung und kognitiver Leistung einhergehen. Gerade bei degenerativen Erkrankungen des Hirns wie Alzheimer, Parkinson oder Demenz können mit Aromatherapie deutliche Verbesserungen erzielt werden. Aber solche Stoffe sind auch für unsere Emotionen verantwortlich und können diese modulieren, unser Sozialverhalten beeinflussen oder Hormone freisetzen. Bei Duft geht es also um sehr viel mehr als nur das persönliche Wohlbefinden und die Grenzen von Parfum zu Pheromon oder Aromatherapie sind fließend.
Literatur
(1) Lexikon der Aromatherapie
(2) Jean Puetz: Aromatherapie
(3) Wikipedia: Kölnisch Wasser
(4) DejaYu: Vom Parfum, Mainstream und Molekularduft
(5) Zozulya, S., Echeverri, F. & Nguyen, T. The human olfactory receptor repertoire. Genome Biol 2, research0018.1 (2001). https://doi.org/10.1186/gb-2001-2-6-research0018
(6) Grabe V, Sachse S, Fundamental principles of the olfactory code, Biosystems 164 (2018), 94-101, https://doi.org/10.1016/j.biosystems.2017.10.010.
(7) Human Olfactory Receptors: Novel Cellular Functions Outside of the Nose Désirée Maßberg and Hanns Hatt Physiological Reviews 2018 98:3, 1739-1763 .
(8) Buck L, Unraveling the sense of smell, Noble Lecture 2004
(9) Buck, L.B. (2004), Olfactory Receptors and Odor Coding in Mammals. Nutrition Reviews, 62: S184-S188. doi:10.1111/j.1753-4887.2004.tb00097.x
(10) Kadohisa M. Effects of odor on emotion, with implications. Front Syst Neurosci. 2013;7:66. Published 2013 Oct 10. doi:10.3389/fnsys.2013.00066
(11) Anand KS, Dhikav V. Hippocampus in health and disease: An overview. Ann Indian Acad Neurol. 2012;15(4):239-246. doi:10.4103/0972-2327.104323
(12) Saive AL, Royet JP, Plailly J. A review on the neural bases of episodic odor memory: from laboratory-based to autobiographical approaches. Front Behav Neurosci. 2014;8:240. Published 2014 Jul 7. doi:10.3389/fnbeh.2014.00240
(13) Enceclopedia Britannica: Jacobsonsorgan
(14) Wallrabenstein I, Gerber J, Rasche S, Croy I, Kurtenbach S, Hummel T, Hatt H, The smelling of Hedione results in sex-differentiated human brain activity, NeuroImage 113 (2015), 365-373, https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2015.03.029.
(15) Agatonovic-Kustrin S, Chan CKY, Gegechkori V, Morton DW, Models for skin and brain penetration of major components from essential oils used in aromatherapy for dementia patients, Journal of Biomolecular Structure and Dynamics (2019), doi: 10.1080/07391102.2019.1633408
(16) Wikipedia: Methyldihydrojasmonat
(17) Berger S, Hatt H, Ockenfels A, Exposure to Hedione Increases Reciprocity in Humans, Frontiers in Behavioral Neuroscience 11 (2017), 79, DOI=10.3389/fnbeh.2017.00079
(18) Laborpraxis Vogel:Der Duftstoff Hedion beeinflußt menschliches Verhalten
(19) Lizarraga‐Valderrama, LR. Effects of essential oils on central nervous system: Focus on mental health. Phytotherapy Research. 2020; 1– 23. https://doi.org/10.1002/ptr.6854
(20) Caputo, L.; Reguilon, M.D.; Mińarro, J.; De Feo, V.; Rodriguez-Arias, M. Lavandula angustifolia Essential Oil and Linalool Counteract Social Aversion Induced by Social Defeat. Molecules 2018, 23, 2694.
(21) Kalbe B, Knobloch J, Schulz VM, Wecker C, Schlimm M, Scholz P, Jansen F, Stoelben E, Philippou S, Hecker E, Lübbert H, Koch A, Hatt H, Osterloh S, Olfactory Receptors Modulate Physiological Processes in Human Airway Smooth Muscle Cells, Frontiers in Physiology 7 (2016), 339, DOI=10.3389/fphys.2016.00339
(22) Pinkmelon: Weihrauch – Schweiß der Götter
Bildnachweis
Abbildung 2 adaptiert aus https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4083449/#B107
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