Kokosöl: nachhaltige Bio-Alternative für Kosmetik, Haut und Haare?

Kokosöl ist einer der bei Google im Zusammenhang mit Kosmetik am häufigsten gesuchten Begriffe der letzten Jahre. Einige Hollywood Stars schwören auf Produkte aus Kokosöl für Ernährung und Schönheit und haben damit einen regelrechten Hype ausgelöst. Doch abgesehen davon lässt sich Kokosöl sowohl in der Küche als auch im Badezimmer gut verwenden. In vielen kosmetischen Produkten werden zudem als Fettkomponente mittelkettige Triglyceride (im Englischen Medium Chain Triglycrides kurz MCT) eingesetzt (1). Sie werden als Caprylic / Capric Triglyceride in der INCI (2) aufgeführt und kommen auch im Kokosöl (Cocos Nucifera Oil) vor.

Ich möchte Euch hier nicht nur die kosmetische Verwendung von Kokosöl vorstellen, sondern auch auf die Bedeutung von Pflanzenölen insgesamt (Ernährung, Gesundheit, Oleochemie) eingehen. Schließlich möchte ich noch einen kritischen Blick werfen auf die Folgen der industriellen Verwendung von Pflanzenölen, denn trotz Nachhaltigkeit bringt die industrielle Nutzung auch Probleme mit sich.

Fettsäurezusammensetzung von Kokosöl und Vergleich zu anderen nativen Ölen

Kokosöl, das Öl, das aus dem Fleisch der Kokosnuss (Copra) gewonnen wird, hat für pflanzliche Öle eine interessante und besondere Zusammensetzung (Abb. 1). Diese macht es nicht nur für die Ernährung, sondern vor allem auch für viele industrielle Zwecke interessant, Kosmetik eingeschlossen. Kokosöl gehört zu den sogenannten Laurinölen, da der Anteil der Laurinsäure (C12) besonders hoch ist (3, 4).


Abb.1: Übersicht wichtiger kosmetischer und essbarer Öle, zusammengestellt aus (3, 5)

Kokosöl hat einen extrem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren und ist trotzdem  – wir sprechen ja hier von Öl – bei Körpertemperatur flüssig. Der Schmelzpunkt liegt zwischen 23 und 26°C. Dieses Verhalten wird durch den hohen Anteil an kurzkettigen Fettsäuren (bzw. deren Triglyceriden) erreicht und unterscheidet sich darum deutlich von anderen Pflanzenölen, die ungesättigte Fettsäuren enthalten. Bestes Beispiel ist hierfür Olivenöl, das bis zu 83% Ölsäure enthalten kann. Palmöl dagegen enthält etwa gleiche Anteile von Ölsäure und Palmitinsäure. Butterfett schließlich enthält signifikante Mengen sehr kurzkettiger Fettsäuren. Die Fettsäurespektren aller  Fette und Öle unterliegen natürlichen Schwankungen (6).

Kokosöl – Verwendung in der Küche

Und hier sind wir schon bei einem deutlichen Vorteil von Kokosöl als Nahrungsmittel. Durch das spezielle Fettsäureprofil ist es gut hoch erhitzbar (keine ungesättigten Fettsäuren, die vor Oxidation geschützt werden müssen) und eignet sich daher zum Braten, Frittieren und Backen (7). In einem gut sortierten Asia-Shop gehört Kokosöl zum Grundsortiment und 500 g habe ich dort für 3,99 Euro bekommen. Beim Schmelzen soll es einen kühlenden Effekt hervorrufen, der angeblich in Eiskonfekt zum Tragen kommt. Doch: Kokosöl wird bei mir im Mund nicht kalt.

Im Netz wird Kokosöl für die „Paleoküche“ oder gar „clean eating“ empfohlen. Und sogar beim Abnehmen soll es in einer ketogenen Diät Wunder wirken.

Lifestyle und Gesundheit

Kokosöl ist aufgrund seiner besonderen Fettsäurezusammensetzung gut verdaulich. MCTs sind auch ohne Gallensäuren zur Energiegewinnung im Körper nutzbar und werden in der parenteralen Ernährung eingesetzt.


Abb.2: Vergleich der Verdauungswege von normalen Fetten mit MCTs. Quelle: wikimedia commons, (8)

Doch Vorsicht! Kokosöl enthält überwiegend C12- bis C14-Fettsäuren, diese zählen nicht zu den MCTs. Des weiteren ist in der Medizin schon lange ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Fetten mit gesättigten Fettsäuren und dem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen etabliert. Da stellt Kokosöl keine Ausnahme dar und wird diesbezüglich auch kritisch hinterfragt (9). Es wird sogar diskutiert, ob der Verzehr von Butter dem von Kokosöl vorzuziehen ist.

Kokosöl in der Kosmetik

Natürlich lässt sich Kokosöl, wie jedes andere Pflanzenöl auch, in kosmetischen Formulierungen verwenden. Dafür wird es üblicherweise in die Fettphase von Emulsionen mit eingearbeitet. Es trägt dann zu einer leichteren, gut verteilbaren Textur bei.  Vorsichtig wäre ich allerdings bei dem Einsatz in Fettstiften (Lippenstiften), da es das Kristallisieren der Wachsmatrix beeinflussen kann. Ideal ist Kokosöl dagegen in Massagepräparaten, in denen es alleine oder in Kombination Verwendung findet. Gerne wird es auch zur Haarpflege verwendet und soll das Haar schützen (10).

Im Netz kursieren auf allerlei – aus meiner Sicht – fragwürdigen Seiten, die überraschende, nicht erwartete und tolle Hautpflegeeigenschaften von Kokosöl beschreiben. Da soll nicht nur die Barriere gestärkt sondern auch pathogene Keime bekämpft werden und sogar Wunden schneller heilen. Das klingt nach einem Tausendsassa und ist halt typisch: man erwartet von einem neuen Produkt allerlei gute Eigenschaften.

Wenn Euch aber das Thema interessiert, könnt ihr auf DejaYu „publiziert“ einen Text finden oder unter (11).

Doch was ist dran an die tollen Behauptungen? Natürlich gibt es Untersuchungen zu der Wirkung von Kokosöl bei trockener Haut (12), Untersuchungen zur Wundheilungsrate an Ratten (13) und in vitro gegen Candida Spezies (14).

Doch aller Wissenschaft zum Trotz haben die genannten Studien deutliche Einschränkungen, entweder weil kein anderes wirksames Produkt mitgetestet wurde oder aus methodischer Sicht.

Schließlich wird noch immer die Comedogenität von Kokosöl diskutiert. Diese Eigenschaft wird gerne einer Follikelreizung durch kürzer kettige Fettsäuren zugeschrieben. Bestes Beispiel ist Isopropyl Myristate. Dennoch, in neueren Untersuchungen konnte diese Comedogenität nicht mehr nachgewiesen werden.

Oleochemie mit Kokosöl

Hier spielt die Musik! Kokosöl dient als erneuerbarer Rohstoff (im Englischen feedstock) als Ausgangsprodukt zur Synthese von Emulgatoren, Tensiden und – Biodiesel  (15-17). Und auch hier ist es die Laurinsäure, die Kokosöl so spannend macht.


Abb.3: Schematische Darstellung der Gewinnung von Oleochemikalien aus pflanzlichen Ölen und Fetten und deren Umsetzung zu Spezialprodukten (18-20). Fett markiert sind Rohstoffe, die in der Kosmetik Verwendung finden.

Neben den Fettsäureestern als Ölkomponenten werden auch andere Rohstoffe in der Kosmetik verwendet. Dieses sind Alkylpolyglucoside (APG) und einige Partialglyceride, die als Emulgatoren und Lösungsvermittler dienen. APGs finden aber überwiegend in der Waschmittelindustrie Einsatz und sind auch schon seit mehr als 30 Jahren bekannt (21, 22). Doch für uns Verwender ist die Nachhaltigkeit zunehmend wichtig, die wir mit diesen Rohstoffen assoziieren.

Ökologische Aspekte

Seit vor 25 Jahren die „Rio-Deklaration“ zur Nachhaltigkeit verabschiedet wurde, wurde weltweit die Produktion der wichtigsten nicht nur zur Nahrung verwendeten Ölen um mehr als 150% erhöht. Dabei trägt Palmöl zu einem wesentlichen Teil der Steigerung bei. Es macht heute 30% der Weltproduktion aus (23).


Abb. 4: Steigerung von Produktion und Verbrauch von Pflanzenölen weltweit. Quelle: United States Department of Agriculture (24).

Dabei sind nicht nur Produktionsmenge und Verbrauch gestiegen (Abb. 4) (24), sondern auch die Nutzungsverhältnisse haben sich geändert. Lange nahm man an, dass das Verhältnis von Nahrung:Futter:industrieller Verwendung bei 80:6:14 bleiben würde, während es heute zu Gunsten der industriellen Nutzung mit 74:6:20 verschoben ist (25). Einen wesentlichen Anteil daran hat auch die Nutzung von Biodiesel.

Die Vorteile der erneuerbaren Rohstoffe liegen auf der Hand: Sie sind CO2-neutral, können zudem komplett recycliert werden und werden somit ein Teil des Biosphärenkreislaufs (26). Diese Vorteile werden aber durch die enorme Vergrößerung der Anbaufläche konterkariert.


Abb. 5: Ölsaaten produzierende Länder weltweit in Millionen Tonnen 2010, Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations (27).

Welches Öl ist am nachhaltigsten?

Zwar ist es sinnvoll, nach Alternativen für Mineralöl und seinen Derivaten zu suchen, doch halte ich das Verbrennen von Nahrungsfetten in Autos für eine Schande (auch wenn wir Europäer dafür überwiegend Rapsöl verwenden). Ganz zu schweigen von dem offenbar allein von Profitgier getriebenen Abbrennen der Habitate der Ureinwohner, der Orang-Utans.

Das hat deswegen die Gegner von Palmöl in den vergangenen Jahren auf den Plan gebracht (28, 29). Ein Austausch von Palmöl gegen andere Ölsaaten ist aber nicht sinnvoll, wie der WWF in einer Analyse (30) feststellt: „Die Analyse zeigt, dass der 1:1-Ersatz von Palmöl durch andere tropische  Pflanzenöle nicht zu den gewünschten Zielen führen würde. Soja und Kokosnussöl wachsen in den gleichen oder ökologisch ähnlich sensiblen Regionen, sodass der Austausch des einen Öls durch ein anderes das Problem nicht löst, sondern nur verlagert und teilweise gar verschlimmert.“

Mein Fazit zu Kokosöl

Kokosöl, ja gerne, aber bitte da, wo es Sinn macht. Im Curry, als Massageöl oder in der Oleochemie. Aber „Pflanzenöl“ und „erneuerbar“ reicht heute nicht mehr. Hersteller von Oleochemikalien müssen daher viel mehr auch auf den nachhaltigen Anbau ihrer Rohstoffe achten (und zertifizieren). Zweifelhafte Anbieter gibt es auf diesem Markt ebenso wie es Webseitenbetreiber gibt, die einem das Blaue vom Himmel versprechen.

Literatur

(1)  Wikipediaeintrag Mittelkettige Triglyceride
(2)  INCI: Volldeklaration hilft
(3) Tabellen Fettsäurezusammensetzung Fette und Oele
(4)  Beschreibung aud Olionatura
(5) Jana Orsavova, Ladislava Misurcova, Jarmila Varva Ambrozova, Robert Vicha, Jiri Mlcek, Fatty Acids Compositon of Vegetable Oils and Its Contribution to Dietary Energy Intake and Dependence of Cardiovascular Mortality on Dietary Intake of Fatty Acids, J. Mol. Sci. 16, 12871-12890 (2015)
www.mdpi.com/1422-0067/16/6/12871/pdf
(6) Fettsäurespektrum essentieller Oele
(7) Frittierempfehlungen
(8) Fettverdauung
(9) S. Lockyer, S. Stanner, Coconutoil – a nutty idea?, Nutrition Bulletin 41, 42-54 (2016)
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/nbu.12188/epdf
(10) Untersuchung von verschiedenen Ölen zur Vermeidung von Haarschäden
(11) Fettsaeuren und Hauternaehrung
(12) Wirksamkeit bei trockener Haut
(13) Wirksamkeit in der Wundheilung
(14) in vitro Wirksamkeit gegen Candida Species
(15) ETC/SCP working paper on sustainables
(16) Renewable Raw Materials in the EU Chemical Industry
(17) Gregorio C. Gervajio, Fatty Acids and Derivatives from Coconutoil, Bailey’s Industrial Oil and Fat Product, Wiley (2005), http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/047167849X.bio039/abstract
(18) Markus Dierker, Raw Materials and Processes in Oleochemistry
(19) Uni Dortmund, nachwachsende Rohstoffe in der Synthese
(20) Jumat Salimon, Nadia Salih, Emad Yousif, Industrial development and applications of plant oils and their biobased oleochemicals, Arabian J. Chem. 5, 135-145 (2012) http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1878535210001498
(21) Wolfgang von Rybinski Karlheinz Hill, Alkylpolyglycoside – Eigenschaften und Anwendungen einer neuen Tensidklasse, Angewandte Chemie 110, 1394-1412 (1998) http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/(SICI)1521-3757(19980518)110:10%3C1394::AID-ANGE1394%3E3.0.CO;2-T/abstract?userIsAuthenticated=false&deniedAccessCustomisedMessage=
(22) Spektrum: Alkylglucoside aus Zucker und Pflanzenoel
(23) Oilworld Biz
(24) United States Department of Agriculture Circular
(25) Jürgen o. Metzger, Fats and oils as renewable feedstock for chemistry, J. Lipid Sci. Technol. 111, 865-876 (2009) http://abiosus.org/docs/EJLST%2010_2009.pdf
(26) Renewable Feedstocks
(27) UN Bericht
(28) WDR5: Leonardo-Problemfall Palmoel
(29) WWF: Palmöl Dossier
(30) WWF – Studie: Auf der Ölspur

Weiterführende links

Homepage der EU vegetable oil and proteinmeal industry association – fediol: http://www.fediol.be/web/fediol/1011306087/list1023110705/f1.html
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe: https://fnr.de/marktanalyse/marktanalyse.pdf
Homepage der European Oleochemical Insustry: http://www.apag.org/
Homepage der Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft: http://www.dgfett.de/

Gemeinnütziger Verein zur Förderung der Forschung über nachwachsende Rohstoffe: http://www.abiosus.org/index.html.de
Wissensplattform der UN zu Sustainable Development: https://sustainabledevelopment.un.org/
Oleoseeds in Asia: https://www.ocl-journal.org/articles/ocl/pdf/2016/06/ocl160040s.pdf
Angewandte  Chemie 1988: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.198800411/full
Homepage von CMD: https://www.cmd-natur.de/

Bildnachweis
Titelbild, sowie die Fotos im Text und Abbildungen 1 und 3 sind eigene Werke, Nutzung unter der Creative Commons  Lizenz CC BY-SA 3.0
Abbildung 2: Dr. Schär Institute – http://www.drschaer-institute.com/de/fachgebiete/mct-fette/mct-fette/fettverdauung/
Abbildung 4: United States Department of Agriculture: https://apps.fas.usda.gov/psdonline/circulars/oilseeds.pdf
Abbildung 5: Food and Agriculture Organization of the United Nations: http://www.fao.org/docrep/018/i3107e/i3107e03.pdf

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