Stärke ist ein Bio-Polymer, das aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Es trägt Nachhaltigkeit sozusagen in seinem Namen. Für Stärke gibt es sehr viele sehr unterschiedliche Anwendungsgebiete, überwiegend aber in der Lebensmittelindustrie. Und so darf als die bekannteste Anwendungsform von Stärke der Pudding angesehen werden.
Allerdings hat der Einsatz von Stärke in vielen Fertigprodukten auch „Feinde“ auf den Plan gerufen, die den Einsatz von „billigen“ Rohstoffen zur Kostenoptimierung anprangern (Sebastian Lege als Besseresser zB). Dabei sind Stärke und andere Polysaccharide Schlüsselrohstoffe zur Herstellung von schmackhaften Fleischalternativen. An dieser Stelle aber soll es um den Einsatz in Kosmetika gehen. Und auch hier – das schon mal vorweg – können sie bei der Vermeidung von Mikroplastik helfen.
Stärke – was ist das?
Stärke gehört zu der großen Gruppe der Polysaccharide und wird in Pflanzen gebildet. Sie besteht aus dem Zuckermonomer Glucose. Stärke besteht aus zwei Polymeren und zwar:
- 20–30 % Amylose, linearen Ketten mit helikaler (Schrauben-)Struktur, die nur α-1,4-glycosidisch verknüpft sind, und
- 70–80 % Amylopektin, stark verzweigten Strukturen, mit α-1,6-glycosidischen und α-1,4-glycosidischen Verknüpfungen. Das Amylopektin der Stärke ist mit etwa einer α-1,6-glycosidischen Bindung pro etwa 30 α-1,4-glycosidische Verbindungen verzweigt.
Stärke ist eine Speicherform von Glucose, die weil sie unlöslich ist, nicht osmotisch wirksam ist. Stärke ist das wichtigste Kohlenhydrat in der menschlichen Ernährung. Aber auch in vielen technischen, kosmetischen und medizinischen Bereichen findet Stärke Einsatz.
Der Markt und Anwendungsbereiche
Stärke gehört zu den nachwachsenden Rohstoffen und hat ein breites industrielles Einsatzspektrum (Abb. 1) Davon macht die Lebensmittelindustrie den größten Teil aus.
Interessant finde ich, dass es kaum belastbare Zahlen über die tatsächliche Menge an produzierter Stärke gibt. Wikipedia nennt Zahlen von 1979. Danach entfielen bei einer Weltproduktion von 13 Mio. Tonnen 76 % auf Mais, 15 % auf Kartoffeln, 4 % auf Maniok und 3 % auf Weizen.
In dem Fachmagazin Starchy Crops Morphology, Extraction, Properties and Application schätzen die Autoren die Produktion weltweit auf 88,1 bis 97,7 Millionen Tonnen in 2020. Schätzen!
Die wichtigsten Stärkelieferanten
In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Hitliste der Stärke liefernden Pflanzen etwas verändert. Weltweit ist Tapioka (Maniok), auch genannt Cassava wichtiger geworden als Kartoffeln. Führend mit weitem Abstand ist nach wie vor Mais. Der Anbau von Mais ist ökologisch nicht ganz unumstritten, denn die große industrielle Nutzung führt zu Monokulturen und hohem Pestizideinsatz.
Man kann die verschiedenen Stärken anhand einiger Kennzahlen vergleichen.
Anwendungsmöglichkeiten in der Kosmetik
Stärke kann in der Kosmetik sowohl als Feststoff als auch als Hydrokolloid verwendet werden. Vorteilhaft für die Anwendung von Stärke ist, dass es toxikologisch unbedenklich und gut verträglich ist. Die Anwendungen gehen deswegen auch weit über Talkum Ersatz hinaus: Hautpflegeprodukte, Make-up, Deodorantien, Shampoos, Reinigungsprodukte.
Zusätzlich interessant macht den Einsatz von Stärke, dass sie natürlich ist und entsprechend zertifiziert werden kann.
Unterschiede und Anwendungen
Die Unterschiede in den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Stärken führen zu unterschiedlichen Anwendungsgebieten. Diese sind vor allem für den Einsatz in Lebensmitteln gut untersucht.
Reine Stärke in Pulverform wird im Wesentlichen als Ersatz für Talkum verwendet, der im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Als Talkum-Ersatz bieten sich besonders die sehr feinkörnigen Stärken wie Cassava (Tapioca Starch) und Reisstärke (Oryza Sativa Starch) an.
Weiterhin ist ein großes Thema der Ersatz von synthetischen Gelbildnern wie Carbomere, Acrylates Copolymere und Alkyl Acrylates Cosspolymere, die zudem unter dem ökotoxischen Mikroplastik unterwegs sind. Auch hier ist Tapioka Stärke ein guter Ersatzstoff.
Als Ersatzstoffe für die herausragenden sensorischen Eigenschaften von Silikonölen werden sie auch verwendet. Vor alle sind das aber modifizierte Stärken wie zB Aluminium Starch Octenyl Succinate.
Mein Versuch mit Stärke
Ich habe vier gängige Stärkesorten untersucht. Kartoffel, Mais, Tapioka und Reisstärke. Dabei stellte ich fest, dass die von mir gewählte Reisstärke schon irgendwie vorbehandelt sein muß, denn sie liegt, anders als die anderen Stärken nicht in Pulverform sondern in irregulären Pellets vor. Auch sind die Teilchen deutlich größer als die erwartete Korngröße von 3-8 mm. Dafür habe ich sie im Mörser klein gerieben, habe aber auch dort nur kleine Körner erhalten, die aber zumindest etwas gleichmäßiger waren.
Die Löslichkeit in kaltem Wasser ist für alle Stärketypen schlecht, besonders aber für die (vorbehandelte) Reisstärke.
Wenn ich diese Suspensionen aufschüttel und in kochendem Wasser gelieren lasse ergibt sich ein anderes Bild.
Sensorisch ist die Kartoffelstärke eher stumpf, etwas besser fühlt sich Maisstärke an, aber genial ist Tapiokastärke von der Gleichmäßigkeit der Verteilung auf der Haut und dem Hautgefühl. Reisstärke ist ähnlich, aber nicht ganz so schön.
Insgesamt zeigt sich, dass Stärke in der Kosmetik viele Einsatzbereiche hat. Wenn „normale“ Stärke nicht reicht, lässt sich modifizierte Stärke verwenden. Das ist Stärke, die durch chemische Reaktionen verändert wurde.
- Acetylierung: Verbessert die Quellfähigkeit bei niedriger Temperatur.
- Oxidation: Erhöht die Löslichkeit und verbessert die Filmbildung.
- Quervernetzung: Erhöht die Stabilität gegen Hitze, Säure und Scherkräfte.
- Hydroxypropylierung: Verbessert die Stabilität und Wasserbindungskapazität.
- Hydrolyse (Säuremodifikation): Reduziert die Molekülgröße der Stärke. Produkte wie Glukosesirup oder Maltodextrine sind Beispiele dafür.