Colortravel: Von Interferenz bis goniochromatisch – die Welt der Effektpigmente

Die Welt der Effektpigmente reicht von metallischem Glanz bis zu dezentem Schimmer, von Interferenz bis zu goniochromatischen Pigmenten. Sie sind der Gegenentwurf zu den klassischen Absorptionspigmenten, die wir aus unseren Malkästen kennen und dem Make-up. Chemisch gesehen sind sie relativ einfach: ihre Farben erhalten sie durch die optischen Eigenschaften des Materials. Ihre Herstellung dagegen erfordert Geschick.

Natürlicher Perlglanz

Die Natur erfreut uns mit Interferenz, einer Lichtbrechung an dünnen Schichten, die wir von Seifenblasen kennen oder aber auch von Muschelschalen oder Fischschuppen.


Abbildung 1: Abaloneschalen unterschiedlicher Spezies mit deutlich anderen optischen Eigenschaften, Südafrika

Das physikalische Prinzip der Lichtbrechung finden wir in der Optik und unter folgenden links (1-3).

Auch mineralische Stoffe wie Glimmer haben schon einen leichten Glanz und ein kleines bißchen Interferenz.


Abbildung 2: Natürlicher Glimmer hat eine Schichtstruktur, die ihn als Basismaterial für Perlglanzpigmente brauchbar macht. Die chemische Zusammensetzung seiner Modifikation als Muscovit ist KAl2(AlSi3O10)(F,OH)2 . Muscovit ist fast transparent und farblos, gleichzeitig besitzt er einen natürlichen Schimmer. Quelle: Pascal Terjan (4), wikimedia commons (5).

Synthetische Perlglanzpigmente

Synthetische Perlglanzpigmente habe ich schon mal auf meinem Blog betrachtet (6). Da ging es aber mehr um Glanz (Sparkle) als um die Farbe.

Heutzutage gibt es eine Fülle von Effektpigmenten. Die Effektpigmente der 1.Generation basieren auf Glimmer und sind seit den 1980iger Jahren auf dem Markt. Mittlerweile sind Pigmente der 2.Generaton verfügbar, die deutlich verbesserte optische Eigenschaften haben. Der Farbeindruck wird dabei um so reiner, je gleichmäßiger das Plättchen (Substrat) ist, auf dem die Metalloxide aufgebracht werden (7).

Die Herstellung dieser Pigmente ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem zu einer Suspension ein Metallsalzhinzugegeben und eine kontrollierte Fällungsreaktion durchgeführt wird.


Abbildung 3: Schematische Darstellung des Herstellungsprozesses von beschichteten Plättchen, in der Regel Glimmerpigmenten. Bei anderen Substraten wurden spezielle Produktionsverfahren entwickelt (7).

Außer TiO2 Beschichtungen sind auch Fe2O3 Beschichtungen üblich. Durch Mehrfachbeschichtungen mit TiO2 und Fe2O3 oder Absorptionspigmenten* wie Berliner Blau oder Carmin, lassen sich Pigmente mit brillanten Farbtönen herstellen (8).


Tabelle 1: Perlglanzpigmente auf Basis unterschiedlicher Trägermaterialien. Glimmer (Mica) ist die Basis der Effektpigmente der ersten Generation. Verwendet man anstelle von natürlichem Glimmer synthetischen oder Ca-Na-Borosilikat (eine Glassorte) lassen sich prinzipiell die gleichen Pigmente herstellen. Sie besitzen jedoch intensivere und reinere Farben und stärkeren Glanz.

Typische Effektpigmente basieren auf dem sogenannten Schicht-Substrat-Prinzip. Üblicherweise ist das Substrat dabei eine optisch niedrigbrechende Substanz, die in Plättchenform vorliegt. Die Schicht ist ein Metalloxid.

Durch die Beschichtung lassen sich nicht nur optische Effekte erzielen, sondern im Prinzip auch andere funktionale Pigmente herstellen. Durch neue Trägermateriealien und innovative Beschichtungsverfahren lassen sich relativ farbstarke Pigmente erzeugen. Dabei sind die optischen Effekte nicht mehr nur Interferenz sondern auch Goniochromatizität.

Wie die Farbe entsteht

Bei Effektpigmenten beruht die optische Wirkung auf einer gerichteten Reflexion von sichtbarem Licht an flächig ausgebildeten Pigmenten. Das können sein Metallpigmente (Metallglanz), stark lichtbrechende transparente Pigmente (Perlglanzpigmente) oder Interferenzpigmente (9, 10).


Abbildung 4: Entstehung der Interferenzfarben durch die Dicke der Beschichtung (üblicherweise TiO2) und die Doppelbrechung an oberer und unterer Schicht. Die Brechung ist in dieser Grafik nicht dargestellt. Interferenzfarben entstehen durch Überlagerung von an Grenzflächen reflektierten Wellenlängen des auftreffenden Lichtes (11).

Colortravel oder Winkelabhängiger Farbeindruck (Goniochromatizität)

Die Steigerung der Interferenztechnologie findet sich in den winkelabhängigen Farbpigmenten wieder (12, 13). Diese werden auch Farb-Flop, Colortravel oder Color variable genannt.  Die Goniochromatizität erreicht man am besten mit neuartigen Substraten oder gleich mit Metall (Aluminium) als Basis (14). Viele Patente unterschiedlicher Hersteller belegen deswegen, wie wichtig diese Technologie ist (15-17).


Abbildung 5: Goniochromatizität entsteht, wenn Licht aus unterschiedlichen Winkeln einfällt und an oberer und unterer Schicht derart gebrochen wird, so dass der Farbeindruck beim Betrachter variiert, je nach Betrachtungswinkel

Generell gilt für die Anwendung von allen Effektpigmenten, dass der erwünschte Effekt um so größer ist, je gleichmäßiger die Pigmente  im Endprodukt aufgetragen werden. Dafür bieten sich insbesondere Lacke an. Und so wundert es auch nicht, dass sie besonders in der Automobilindustrie und im Nagellack Einsatz finden.


Abbildung 6: Sportauto, das ich zufällig auf dem Parkplatz eines großen Einkaufcenters gesehen habe. Ich mußte es fotografieren, denn der Effekt des Colortravel war super eindrucksvoll. Die Speziallackierung von Autos ist auch der größte Einsatzbereich von Effektpigmenten überhaupt.

Effektpigmente in der Kosmetik

Im Gegensatz zu klassischen Absorptionspigmenten haben Effektpigmente mit der Ausnahme von Metallpigmenten keine hohe Deckkraft. Dafür können sie andere und neue optische Effekte bieten, die mit Absorptionspigmenten nicht zu erreichen sind. Bei der Kombination von diesen Pigmenten ist allerdings Vorsicht geboten. Denn anders als bei Absorptionspigmenten, bei denen sich eine Fabre additiv einstellen läßt (Blau + Gelb = Grün) gilt dies nicht bei Effektpigmenten. Von der Kombination von Effektpigmenten wird daher abgeraten, besser ist die Kombination von Effekt- und Absorptionspigment.

In der Kosmetik finden wir diese Pigmente natürlich in Nagellacken und anderen wasserfreien Zubereitungen wie Lippenstiften, Puderformulierungen wie Lidschatten  oder extrudierten Stiften (Eyeliner, Lipliner). Als Perlglanzpigmente werden sie schon lange in Body-Lotionen und Highlightern eingesetzt.

Referenzen

(1) Spektrum: Optische Interferenz
(2) Wikipedia: Interferenz
(3) Chemieschule: Effektpigment
(4) flickr.com: Autor
(5) Wikipedia.org: Mica
(6) Dejayu: MAC Lidschatten
(7) Leibnizsozietaet: Gerhard Pfaff: Anorganische Pigmente- aktueller Stand und neue Erkenntnisse
(8) Teknoscienze.com: ColourCosmetics 2012
(9) Danielsmith.com: three dimensional color and interference pigments
(10) merckgroup.com: special effect pigments
(11) eckart.net: Borosilicate Pigments (2010)
(12) Cosmetics and Toiletries: Function pigments
(13) Wikipedia: Effektpigment
(14) PCIMAG: Luminous metall effect pigments
(15) US20080181921A1
(16) US20060013838A1
(17) EP0741170A1

Wichtige Hersteller von Effektpigmenten

Merck: https://www.merckgroup.com/en/expertise/effect-pigments.html
Eckhard: https://www.eckart.de/
BASF: https://www.basf.com/us/en/products/General-Business-Topics/pigments/Products/Pigments-for-cosmetics.html
Schlenk: https://de.schlenk.com/

Bildnachweis

Abbildung 2 aus Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/Mica#/media/File:Mica_(6911818878).jpg

Alle anderen Bilder sind eigene Werke, Nutzung unter der Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0

 

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