Seife ist eines der ältesten Kosmetika schlechthin. Dennoch ist sie in den vergangenen Jahrzehnten durch Syndets und Waschlotionen vom Waschbeckenrand verdrängt worden. Doch Stückseife ist glücklicherweise noch immer überall erhältlich. Als Haushaltsseife: Schmierseife, Kernseife und Gallseife allerdings feiert sie ein heimliches Comeback. Hier nehme ich ein Produkt aus dem Künstlerbedarf unter die Lupe, das es mit jeder kosmetischen Feinseife aufnehmen kann.
Produktsteckbrief
Gekauft bei Boesner in Witten am 8.12.2017, 100 g Seife für 5,49 EUR.
Inhaltsstoffe: Sodium Palmate, Sodium Palmkernelate, Aqua, Glycerin, Parfum, Honey, Sodium Chloride, Palm Kernel Acid, Tetrasodium EDTA, Tetrasodiumetidronate, CI 77492
Seifenherstellung
Abbildung 1: Herstellung unterschiedlicher Seifen mit verschiedenen Fetten und Ölen als Ausgangsprodukten
Die Seifenherstellung ist kulturgeschichtlich ein altes Herstellungsverfahren, bei dem die verfügbaren Fette und Öle entweder mit Pottasche (ergibt Kaliseifen) oder mit Soda / Natronlauge (ergibt Natronseifen) erfolgt (1). Ausführlich wird dieses bei Kerrin Riewerts beschrieben und auch auf die historische und industrielle Bedeutung der Seifenproduktion eingegangen. (2)
Seife war aber zusammen mit der Produktion von Wachsen eine weltweit wichtige Industrie (3).
Abbildung 2: Handelsübliche Schmierseife, die aber aufgrund ihrer Zusammensetzung auch als Leimseife durchgehen könnte
Seife gut oder schlecht?
Seife, gemeint ist hier Feinseife, wird seit vielen Jahren nicht mehr zur Hautreinigung empfohlen. Als wesentlicher Grund gegen die Reinigung mit Seife wird ihr hoher pH-Wert angeführt (4), der letztendlich zu trockener Haut führen soll (5, 6). Gleichzeitig mit der pH-Verschiebung quellen die obersten Schichten der Haut auf, die Haut wird entfettet, die Lipidbarriere gestört und letztendlich der Transepidermale Wasserverlust (TEWL) erhöht. Es wird sogar diskutiert, dass die Hautreinigung mit Seife das Wachstum von Propionibacterium Acnes begünstigen soll (7). Das hört sich alles ziemlich schlecht an, ich halte es jedoch für Irreführung. Denn das Standardagens bei Untersuchungen zur Hautirritation ist nicht Natriumstrearat, das Salz der Stearinsäure, sondern Natrium Laurylsulfate (8) oder das in Shampoos und Duschgels gebräuchliche Natrium Laurethsulfate. Wenn Seife also so schlecht ist, warum nimmt man sie dann nicht in derartigen Tests?
Abbildung 3: Die Überprüfung des pH-Wertes kann schnell mittels pH-Papier erfolgen, wenn dieses nicht wie das hier abgebildete schon zu alt ist
Stearinsäure (und Palmitinsäure im Übrigen auch) sind als „Seifen“ klassische Emulgatoren, die in vielen Hautpflegemitteln – auch zur Pflege der trockenen Haut – angewendet werden. Ich denke, die pH-Verschiebung beim Waschen mit Seife wird zu viel Bedeutung beigemessen. Denn andererseits besitzen viele anionische Tenside, die pH-neutral sind und eine bessere Reinigungswirkung haben, ein erwiesenermaßen hohes Irritationspotential.
Inhaltsstoffe von Seifen
Seifen sind in der Regel recht einfach zusammen gesetzt, wie sich auch anhand der Inhaltsstoffliste ersehen lässt. Manchmal enthalten Seifen auch tierische Inhaltsstoffe, nämlich dann, wenn die Fette aus Schlachtabfällen gewonnen werden. Man findet dann in der INCI Sodium Tallowate. Damit sind sie nichts für Naturkosmetik-Verwenderinnen. Allerdings sollte man sich vor Augen führen, dass Seifen, die tropisches Palmkernöl oder Kokosöl enthalten, ebenfalls Nachteile haben (9). Damit Seifen bei der Verwendung mit Kalkhaltigem Wasser nicht die lästigen Kalkseifen bildet, werden Komplexbildner wie EDTA zugesetzt. Das ist für manche Verwenderinnen auch nicht akzeptabel.
Abbildung 4: Kernseife, die Sodium Tallowate enthält
Was kann man mit Seife reinigen?
Zum Waschen von Textilien haben sich andere Tensidsysteme durchgesetzt. Bei der Fleckentfernung ist Gallseife allerdings ein unschlagbares Mittel. Auch klassische Kernseifen werden noch häufig verwendet entweder für „die kleine Wäsche“ oder zur Entfernung von Flecken. Im Haushalt zur Bodenpflege erleben Schmierseifen, welches klassische Kaliseifen sind, einen Aufschwung und werden ziemlich teuer angeboten (10).
Abbildung 5: Kernseifen unterschiedlicher Herkunft
In der Kosmetik und zur Hautreinigung fristen Seifen mittlerweile ein Aschenputteldasein. Gerade mal als Handseifen sind sie noch in Gebrauch oder als Rasierseifen. Seife zur Haarwäsche verwenden? Das habe ich bisher nur im ländlichen China gesehen. Sollte man Haare überhaupt mit Seife waschen?
Pinselreinigung mit Seife
Wenn ich mir nun ausmale, wie sich Künstler anstellen können, wenn es um ihre Werkzeuge geht, muss eine Seife, die extra zur Pinselreinigung angeboten wird, schon was können. Und schließlich sind Marderhaare doch nicht so ganz anders als Menschenhaare. Für die Künstler ist aber das rückstandsfreie Entfernen von Farbpigmenten wichtig. Dafür eignen sich die Salze langkettiger Fettsäuren gut, denn sie sind gute Pigmentdispergatoren. Sollten nach dem Ausspülen noch etwas Seifenreste im Pinsel verbleiben, sollten diese keine gravierenden Auswirkungen auf den Farbauftrag haben. Bei uns Konsumenten geht es bei der Haarwäsche eher um die Reinigung, mit dem Entfernen von Stylingprodukten und dem Erhalt eines glänzenden Haares. Dieses ist für Künstlerpinsel eher unwichtig, dennoch sollen die feinen Haare nicht aufgeraut werden oder brechen. Deswegen muß man bei der Reinigung mit Seife darauf achten, dass man bei niedriger Temperatur wäscht und nicht zu viel rubbelt (11). Aber das sind genau die Dinge, die uns auch bei der Haarwäsche empfohlen werden.
Abbildung 6: Pinselreinigung mittels Seife (rechts) und klarem Wasser (links)
Mein Fazit: Diese Seife ist eine prima Feinseife und eigentlich genauso gut für die Handreinigung geeignet wie für Künstlerpinsel.
Nostalgie? Historische Seifen als Träger von Duft
Seifen dienten schon lange zur Konservierung von Duftstoffen (12) und bekannt dafür sind Seifen aus Marseille. Meine Freundin bringt sich jedes Jahr aus dem Urlaub eine Mimosenseife mit, die sie nicht zur Handwäsche, sondern als Wäscheparfüm benutzt. Kurz: Seifen muß man also nicht nur mit Wasser benutzen.
Abbildung 7: Sammlung nostalgischer Seifen
Literatur
(1) Wikipedia: Seife
(2) Kerrin Riewerts: Historische Entwicklung kosmetischer Mittel
(3) Historische Übersicht über Produktionsmengen von Seifen
(4) Haut.de: Handpflege
(5) Mayo Klinik: Gründe für trockene Haut
(6) Evaluierung des pH Wertes von Seifen
(7) Seifen und Reiniger
(8) Dejayu: L’Oréal Shampoo
(9) Dejayu: Kokosöl
(10) Bodenseife
(11) Pinkmelon: Ordentlich Schaum
(12) Pinkmelon: Duft und Emotion
Weiterführende Links
Pinkmelon: Seife besser als ihr Ruf
Seilnacht: Fettsäureverseifung
Bildnachweis
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