Reef safe: Mit Sonnencreme die Meere schützen?

Der Klimawandel ist im kosmetischen Sonnenschutz angekommen. Zum einen verzeichnen wir in Deutschland immer mehr Sonnenstunden und zum anderen hinterfragen wir immer kritischer unsere eigenen Konsumgewohnheiten. Wichtigstes Thema dabei ist der Schutz der Korallen. Diese wachsen zwar nicht in der Ostsee oder der Deutschen Bucht, aber wir reisen ja gerne in entsprechende Regionen: Thailand, Indonesien, Hawaii. Dort wollen wir dann den ökologischen Schaden unserer Anwesenheit möglichst gering halten – mit Sonnencreme, die „reef safe“ ist

Lichtschutzfilter und ihr toxikologisches Potential

Derzeit sind 32 Substanzen als UV-Filter in der Kosmetik zugelassen . Sie werden regelmäßig auf ihr toxikologisches Potential hin überprüft und finden sich im Anhang V der Kosmetikverordnung in einer Positiv-Liste. Man unterscheidet dabei folgende chemische Klassen   :

  • Aminobezoesäure Derivate (PABA)
  • Salicylsäure Derivate
  • Zimtsäure Derivate
  • Benzphenone
  • Dibenzoylmethan Derivate
  • Benzylidene Camphor Derivate
  • Triazine
  • Benzimidazol Derivate
  • Benzotriazol Derivate
  • Anorganische oder physikalische Filter

Wenn Lichtschutzfilter zugelassen werden, wird in der Regel nur ihr toxikologisches Profil im Hinblick auf die menschliche Gesundheit überprüft. Erst durch massiven Druck durch Umweltschutzorganisationen und VerwenderInnen, finden auch Ökotoxikologische Aspekte Eingang in die Betrachtung.

Aquatische Toxizität

Unsere Meere stehen unter Stress. Nicht nur, dass wir sie als Wasserwege befahren, hemmungslos Fische aus ihnen entnehmen und gleichzeitig als die Welt größte Müllhalde nutzen , der Klimawandel findet auch in den Ozeanen statt. Kurz: das Wasser wird immer wärmer. Dabei gilt ein einfaches physikalisches Prinzip: Je wärmer das Wasser, desto weniger Gase lösen sich darin.  Die marinen Lebewesen haben also immer weniger von dem wichtigen Sauerstoff zur Verfügung. Sehr empfindlich reagieren die Polypen, die in Korallen wohnen, darauf – sie sterben ab und es entsteht die sogenannte Korallenbleiche.

Dazu kommen noch Chemikalien, die wir beabsichtig (Dünnsäure Verklappung) oder unbeabsichtigt (durch Kosmetika) in die marinen Ökosysteme eintragen.  Zu letzteren gehören sicherlich die Lichtschutzfilter, von denen einige schon länger  unter Verdacht stehen, eine hormonelle Wirksamkeit zu zeigen. Als so genannte endokrine Disruptoren sind einige UV-Filter identifiziert.  Das sind Benzophenone1, -2, -3; 4-Methylbenzyliden Camphor, 3-Benzylidencamphor 3BC, Butylmethoxydibenzoylmethan, Homosalate, Octyldimethyl PABA und Octyl Methoxycinnamate.  . Dabei sind allerdings nur knapp die Hälfte dieser UV-Filter von wirtschaftlicher Bedeutung in Kosmetika, außer Octyl Methoxycinnamate, das in vielen Formulierungen eingesetzt wurde. Ihre hormonelle Wirksamkeit ist nicht auf den Menschen beschränkt. Wie sie auf aquatische Lebewesen wirken, wissen wir allenfalls in Anfängen.

Abbildung 1: Sonnenschutzprodukt von L’Oréal, das behauptet, sich besonders um die Ozeane zu kümmern (rote Markierung) „Garnier soutient Ocean-Conservancy pour lutter contre la pollution plastique des océans“. (Garnier unterstützt Ocean-Conservancy im Kampf gegen die Plastikverschmutzung der Ozeane). Plastikverschmutzung der Meere ist ein riesiges Problem, aber deshalb Kartonage in das Tubenmaterial mischen?

Als größter Hersteller von Lichtschutzfiltern hat BASF jetzt einen Anlauf genommen, um die aquatische Toxizität von Lichtschutzfiltern zu evaluieren. Dafür untersuchen sie: die akute und chronische aquatische Toxizität, den Verteilungskoeffizienten des Filters in einer Octanol-Wasser-Mischung, die Bioabbaubarkeit und die Bioakkumulation, testen auf hormonelle Wirksamkeit und betrachten die terrestrische Toxizität (Flora und Fauna) sowie die Bodentoxizität.

Abbildung 2: Schlimm genug, dass wir überhaupt so viel Müll ins Meer kippen, schlimmer, dass er dort seeeehr lange bleibt. Quelle Statista.

Nanomaterialien – die Lösung?

Vor einigen Jahren galten nanoskalige TiO2 und ZnO Partikel als das non-plus-ultra in den Sonnenschutzprodukten. Durch die Verzwergung der Partikel konnten die optischen Effekte wie Weißabdeckung fast vollständig reduziert werden und auch die Anwendungseigenschaften waren angenehm. KritikerInnen bemerkten schon damals, dass super kleine Partikel andere dermale Penetrationseigenschaften haben könnten, als normal große. Diesem trug die EU mit einer Verordnung zu Nanomaterialien in der Kosmetik Rechnung.  

Aber auch bei diesen Materialein sind die ökologischen Effekte erst viel Später betrachtet worden.

Dabei findet der Eintrag dieser Materialien nicht allein durch das Baden vor Ort statt, auch durch unser Duschen gelangen sie in die Kläranlagen und von dort letztendlich in die Umwelt.

Abbildung 3: Geschätzter jährlicher Verbrauch von Nanomaterialien (TiO2 und ZnO) in 2020 und projizierte Freisetzung in verschiedene Umweltbereiche. Hellgrau sind die Masseflüsse gekennzeichnet, die direkt ohne das Passieren einer Kläranlage in die Umwelt eingetragen werden. Geschätzt weden87500t TiO2 und 21500 t ZnO in kosmetischen Produkten verwendet. (Arturo Keller)

Nach dem Verbot von TiO2 in Lebensmitteln, werden auch nanoskalige TiO2 Partikel nicht mehr in Kosmetika eingesetzt.

“Reef safe” nur ein Marketing Claim?

„Der Begriff „reef safe“ Sonnenschutzmittel ist größtenteils ein von der hawaiianischen Regierung unterstützter Marketingtrick, der den Verbrauchern unnötige Ängste eingeflößt hat“, behauptet  Laura Lam-Phaure in dem kosmetischen Fachmagazin Cosmetics & Toiletries

Sie erörtert, wie moderne Sonnenschutzformulierungen aussehen können. Gleichzeitig bezweifelt sie aber die Validität der Untersuchungen zur Aquatischen Toxizität. Sie hält den Klimawandel für die größere Gefahr als Sonnenschutzmittel.

Sonnenschutz reef safe gestalten

Wenn wir den ökologischen Einfluß unseres Konsumverhaltens verringern wollen, könnten wir „einfach“ auf gewisse Produkte verzichten. Häufig finden sich in Kosmetika auch andere Schadstoffe, die unter Mikroplastik zusammen gefaßt werden. Das Problem bei Sonnenschutzprodukte ist allerdings, dass sie uns vor krebserregender UV-B Strahlung schützen können. Jedoch sind diese Strahlen auch zur Vitamin D Synthese wichtig. Es ist also wie fast überall, es muss eine Güterabwägung getroffen werden. Eine wichtige Hilfe bei der Entscheidungsfindung kann natürlich auch sein, die Kleidung mit einzubeziehen; wie müssen ja nicht halbnackt auf Stand-up Boards unterwegs sein. Auch die Verlegung der Aktivitäten in Tageszeiten mit geringerer UV-B Strahlung, kann Sinn machen.

Nicht zuletzt aber werden wir froh sein, schattige Plätze zu finden, denn nicht die UV-Strahlung nimmt zu, sondern die Temperaturen. Der Schutz gegen Hitze wird ganz bald wichtiger werden als der gegen Strahlen.

Allein wird es schwierig werden, unseren Eintrag von (chemikalien)Müll in die Umwelt zu verringern, denn Lichtschutzfilter sind ein weltweit boomendes Geschäft und die Industrie wird Wege finden, uns weiterhin Produkte mit Lichtschutzfaktor zu verkaufen.

Bildnachweis:

Titelbild elements.envato.com, mit freundlicher Unterstützung von lilies n’birds

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