Es ist ein Produkt für Männer, saubere Männer und deutsche Männer, gerne vom FC Bayern. Ich spreche vom neuen Head & Shoulders Anti-Schuppen Shampoo deep clean. Der Werbespot legt nahe, dass diese Saubermänner mit diesem Produkt quasi ihre Kopfhaut kärchern können. So wie den Vorgarten. Aber, wie sinnvoll ist das überhaupt?
Head & Shoulders Anti-Schuppen Shampoo
Mit „deep clean“ bewirbt jetzt der Konzern Procter & Gamble (P&G) seinen Anti-Schuppen Klassiker Head & Shoulders. Auf der Webseite sprechen sie zusätzlich von einem Detoxeffekt, und versprechen eine tiefe Porenreinigung und Schuppenschutz bis zu 72 Stunden. Und ansonsten steht dort viel davon, was man halt so in die Marketingstories hineinformuliert. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe ist aber ernüchternd:
Aqua, Sodium Laureth Sulfate, Sodium Xylenesulfonate, Cocamide MEA, Cocamidopropyl Betaine, Sodium Chloride, Sodium Citrate, Parfum, Piroctone Olamine, Citric Acid, Glycerin, Sodium Salicylate, Sodium Benzoate, Polyquaternium-10, Guar Hydroxypropyltrimonium Chloride, Sodium Hydroxide, Hexyl Cinnamal, Linalool, Limonene, Maris Sal, CI 42090, CI 17200, CI 19140.
Stutzig werde ich bei den letzten drei Inhaltsstoffe, die anhand des CI klar als Farbstoffe zu identifizieren sind. Wenn ich schon alles sauber machen will, wieso müssen dann Farbstoffe zugesetzt werden? Damit es aussieht wie ein WC Reiniger?
Und Meersalz? Ist auch kein Reinigungsverbesserer, jedenfalls nicht in dem vom P&G ausgelobten Fall: „Deep Clean Detox ist angereichert mit Meeresmineralien für tiefe Porenreinigung der Kopfhaut“.
Die ausgelobten Antioxidantien in der Formulierung kann ich beim besten Willen nicht ausmachen.
Wie wirken Anti-Schuppen Shampoos
Üblicherweise sollen Shampoos das Haar von anhaftendem Staub befreien, vom Fett, das aus der Talgdrüse an der Haarwurzel kommt, und die oberste Cuticula Schicht wieder glätten. Dafür ist ein sauer pH Wert sinnvoll. Die Reinigung wird durch die Tenside ermöglicht. Dort hat P&G nicht gespart. Die vier Inhaltsstoffe nach dem Wasser sind die „Reinigungsmittel“. Auffällig ist das Sodium Xylenesulfonate. Sulfonate werden üblicherweise in Waschmitteln eingesetzt, bringen aber den Kläranlagen häufig Probleme, da sie schlecht abgebaut werden können. P&G setzt hier auf ein aromatisches Sulfonat, das üblicherweise eingesetzt wird, um klare Tensidmischungen zu erhalten. Ob es nun wirklich besser reinigt? Den Schaum soll es definitiv verbessern.
Doch die Reinigung bei Shampoos erfasst nicht nur die Haare, auch die Kopfhaut wird mitgewaschen. Schüppchen werden abgelöst, Fett und Feuchthaltefaktoren werden ausgewaschen. Und, wenn man spezielle Wirkstoffe zusetzt, sogenannte Anti-Schuppen Wirkstoffe, dann werden auch die Schuppen reduziert. Erst mal.
Anti-Schuppen Wirkstoffe sind „borderline“ Inhaltsstoffe
Borderline, das beschreibt hier keine Persönlichkeitsstörung, sondern die EU Klassifikation von bestimmten Inhaltsstoffen. 2020 hat die Kommission eine entsprechende Richtlinie herausgegeben. . Dieses Borderline Manual beschäftigt sich nun mit allen Produkten, Auslobungen und Inhaltsstoffen, die an der Grenze der Kosmetik zu etwas anderem stehen. Das sind beispielsweise Produkte die das Wimpernwachstum fördern oder Cellulite reduzieren. Anti-Schuppen Shampoos oder Sonnenschutzprodukte stehen nicht darin, da sie in der Kosmetikverordnung gesondert behandelt werden. Im Heimatland von P&G, den USA, gelten diese als Medizinprodukte, in Europa als Kosmetika.
Die Anti-Schuppenwirkstoffe sind: Piroctone Olamine, Salicylsäure, Zink-Pyrithion*, Climbazol oder auch bestimmte Antimykotika (keine kosmetische Anwendung). Ganz neu ist Propanediol Caprylate von Symrise. Die ersten beiden sind in diesem Shampoo enthalten und wirken ganz gezielt gegen die Pilze, die auf der Kopfhaut residieren. Malassecia. *Zink-Pyrithon soll dieses Jahr verboten werden.
Das Mikrobiom der Kopfhaut
Wenn man seinen Vorgarten kärchert, dann ist man alles los: Das Moos auf den Steinen, das Gras in den Ritzen, das „Unkraut“ am Rand. Unser Mikrobiom ist ebenfalls aus vielen verschiedenen Mikro-Lebewesen zusammen gesetzt, die viele unter einer falsch verstandenen Hygiene los werden wollen. Dabei spielen diese Lebewesen eine entscheidende Rolle für uns. Sie schützen uns vor den Angriffen aus unserer Umwelt und unterstützen die Barrierefunktion unserer Haut. Außer im Darm und auf der Haut, sind sie auf allen Schleimhäuten und natürlich auch auf der Kopfhaut zugegen. Wenn Ihr mehr dazu lesen wollt, schaut doch mal hier.
Je nachdem, wie trocken oder ölig die Haut ist, wird sie von unterschiedlichen Spezies besiedelt. Die Kopfhaut gilt als öliges Hautareal, aber anders als zu unbehaarten öligen Arealen ist hier ein Pilz, nämlich Malassezia dominant, daneben noch Bakterien von der Gattung Staphylokokkus und Cutibakterium (früher Propionibakterium). Die Entstehung der Kopfhautschuppen ist lange noch nicht geklärt, da man gerade erst anfängt zu verstehen, wie die unterschiedlichen Mikroben untereinander agieren. Dazu hat sich Unilever der Erforschung der mikrobiellen Zusammensetzung von Schuppen-geplagter und Schuppen-freie Kopfhaut hingegeben. Sie stellen folgendes fest:
- In Schuppen geplagter Kopfhaut sind die Bakterien erhöht im Gegensatz zu Schuppen freier Kopfhaut
- Das Verhältnis von Staphylokokken zu Cutibakterien ist zugunsten von Staphylokokken verschoben
- Das Verhältnis der Malassezia Spezies restricta / globosa ist zugunsten der ersteren verschoben
Kurz, bei Schuppen geht es um mehr als nur um ein erhöhtes Aufkommen der Malassezia Spezies. Wenn die Talgdrüsen sehr viel Sebum produzieren (gerne bei pubertierenden Männern), dann ist es das Cutibakterium, das diese Fettsäureester aufspaltet. Dann erst kann der Pilz Malasssezia die freien Fettsäuren als Nahrung nutzen. Kärcher ich die weg, dann ist plötzlich ein anderer Keim, nämlich Staphylokokkus im Vorteil. Die Schuppen bin ich damit übrigens nicht los, es könnte aber mehr jucken.
Gut zu wissen, dass es andere Strategien gegen Kopfhautschuppen gibt. Weniger waschen, Kokosöl verwenden.
Und das Produkt von P&G? Ist aus mehr als ökologischer Sicht fraglich: Farbstoffe und schlecht bio-abbaubare Tenside petrochemischer Herkunft, Parfum und eine Verpackung aus nur 40% recyceltem Plastik. Das geht heute deutlich besser. Deep clean, also kärchern sollte Mann seine Kopfhaut besser nicht….